0648 - Der Tod, der Ninja und ich
kannte sich aus, und sie hoffte, dass die Geister der Alten und Toten noch in den Sphären schwebten, um mit ihnen Kontakt aufnehmen zu können. Alle konnten doch nicht vertrieben worden sein, das war einfach unmöglich.
Das Ziel befand sich dort, wo mehrere Treppen zusammenliefen. Sie führten in verschiedene Richtungen hoch. Eine von ihnen war verschüttet. Das Geröll war über die letzte Stufe hinweggerollt, und unter den Steinen ragte eine bleiche Hand hervor.
Shao schauderte, als sie die Finger sah. Sie hob einen der Steine behutsam an, sah den Arm bis hoch zum Ellbogen. Weiter schaute sie nicht. Der Verwesungsgeruch redete eine deutliche Sprache. Einen Zombie würde sie nicht unter den Steinen finden.
Über dem Schacht ragte, wie der Aufbau an einem Brunnen, das Gestell hoch. Der Korb hing dort, der Flaschenzug mit seinen Rollen war ebenfalls vorhanden, selbst die Seile liefen noch durch die Kerben der Rollen. Auf den ersten Blick sah dieses Instrument funktionstüchtig aus. Die Chinesin hoffte, dass dies auch so bleiben würde, wenn sie sich in die Tiefe hinabließ.
Diesen Weg nahm sie zum ersten Mal. Aus der Erinnerung wusste sie, wie alles funktionierte. In den Korb steigen und an einem bestimmten Band ziehen, dann würde sich der Korb mit seiner Last in die Tiefe senken. Sie probierte es, und es klappte. Der Korb hielt dem Druck stand. Die Rolle bewegte sich und quietschte dabei. Das war nichts für schwache Nerven. In der Stille klang das Geräusch überlaut.
Als Shao hineinkletterte, schaukelte der Korb. Sie wartete ab, bis er sich beruhigt hatte. Erst dann umklammerte sie mit beiden Händen das entsprechende Seil.
So weit wie möglich hatte sie es sich im Schein der Kerze angesehen und auch geprüft. Es war nicht zerfasert. Yakups ehemalige Freunde hatten nichts zerstört.
Hand über Hand bewegte Shao das Seil. Die Rollen zitterten und quietschten weiter, was Shao nicht mehr störte, denn immer tiefer glitt sie mitsamt dem Korb in den Schacht hinein und wurde von einer Finsternis verschluckt, die schon beängstigend war. Um Licht zu sparen, hatte sie die Kerzenflamme ausgeblasen.
Shao tauchte hinab in die Welt des Schweigens, des Todes und einer geheimnisvollen Mystik. Auf dem Grund des Schachts liefen zwei Welten zusammen. Sie selbst würde im Diesseits stehen, aber die Nachrichten würden aus dem Jenseits an ihre Ohren strömen. Jedenfalls erreichten sie den Menschen, der sensibel genug war, um sie empfangen zu können.
Der Korb schaukelte. Um ihn weiter sinken zu lassen, brauchte Shao eine gewisse Kraft. Als Erbin der Sonnengöttin machte ihr dies nichts aus.
Wie tief der Schacht war, konnte sie nicht sagen. Irgendwann würde sie den Grund schon erreicht haben.
Die Wände waren nicht einmal als an ihr vorbeigleitende Schatten zu sehen. Shao verließ sich auf ihr Gefühl, während sie Korb und. Seil ununterbrochen bewegte.
Was sie am Ziel erwartete, wusste sie genau. Dort stand der Leichenbaum, in dem die Personen zur letzten Ruhe gebettet worden waren, die Yakup das Kloster überlassen hatten.
Die Luft veränderte sich. Sehr gut war sie niemals gewesen, nun aber wurde sie noch schlechter, war kaum zu atmen, denn aus der Tiefe her wehte der Moder hoch, den die alten Leichen hinterlassen hatten.
Den Leichenbaum hatte Shao nie zuvor gesehen. Sie wusste von seiner Existenz durch Yakup.
Wenn er mit den Geistern hatte Zwiesprache halten wollen, war er in die Tiefe geklettert und hatte sich in eine andere Ebene versenkt.
Wer bei den Alten gestorben war, bei dem veränderte sich nur die körperliche Hülle. Der Geist allerdings blieb in den Sphären schweben. Mit ihnen Kontakt aufzunehmen war die Kunst.
Viel tiefer ging es nicht mehr. Fast unerwartet traf Shao auf Widerstand. Sie merkte ihn sehr deutlich unter ihren Füßen, da der Boden des Korbs doch sehr dünn war.
Stillstand!
Auch Shao bewegte sich zunächst nicht. Unbewusst schaute sie in die Höhe, ohne dort allerdings etwas erkennen zu können. Es blieb stockdunkel und still.
Bevor sie aus dem Korb kletterte, wischte sie den Schweiß von der Stirn. Jetzt hoffte sie nur, dass in dieser Tiefe genügend Sauerstoff vorhanden war, um atmen zu können.
Die Steine des Feuerzeugs warfen einige Funken, bevor die kleine Flamme aufleuchtete. Sie flackerte, sah aus, als wollte sie verlöschen, blieb jedoch brennen und zeichnete einen Lichtkreis in das Dunkel, in das Shao hineinging.
Sie entdeckte dicke Wände, auf denen Schmutz und
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