0648 - Der Tod, der Ninja und ich
wie damals.
Nach und nach verschwanden die grauen Schatten. Nur noch die von den Reifen aufgewirbelten Staubwolken begleiteten das Fahrzeug. Der Himmel nahm an Glanz zu, die Julisonne schaffte es, sich auszubreiten.
Räder malmten kleine Steine zu Staub. Die Wände der Schlucht traten zurück, und vor dem Fahrzeug öffnete sich das große, weite Tal, in dessen Mittelpunkt das Kloster lag.
Unwillkürlich ging Suko vom Gas. Wesentlich langsamer rollte er auf die Mauern zu, denn er wollte schon bei der Anfahrt alles sehen und in sich aufnehmen.
Das Kloster lag vor ihnen wie ein in die Landschaft gemaltes Gebilde. Mauern, die auf Suko einfach zu breit wirkten, um so zu sein, wie er sie in Erinnerung hatte.
Erst als sie den Weg erreichten, der fast in der Breite einer Straße durch die Felder führte, bekamen sie eine Ahnung davon, was geschehen war.
Die Felder zeigten eine erschreckende Verwüstung. Die Erde schien von Riesenhänden aufgewühlt worden zu sein. Erdschollen, so hoch wie der Wildtat, türmten sich gegeneinander. Kein Korn wuchs mehr auf den Feldern. Alles wirkte wie die Kulisse eines gespenstischen Films.
»Was ist das?«, flüsterte Shao.
Suko knirschte als Antwort hervor. »Shimada. Er und seine Helfer haben dies zu verantworten.«
Shao schwieg. Sie wischte über ihre Augen, als wollte sie Tränen fortwischen. Dann fiel ihr Blick auf die Mauern. Zum Teil standen sie noch, aber die meisten waren zusammengefallen. Deshalb hatten auch die Gebäude keinen Halt mehr gehabt. Sie lagen ineinander, als wäre eine Bombe detoniert.
Dort, wo die Felder aufhörten und das eigentliche Gelände des Klosters begann, ließ Suko den Wildcat ausrollen.
Als auch das letzte Knacken verstummt war, umgab die beiden nur die Stille.
»Am liebsten möchte ich wieder fahren«, flüsterte Shao. »Kein Leben, nicht ein…«
»Das weiß ich nicht.«
»Wer sollte denn hier noch wohnen?«
»Zombies?«
»Dann müsste Shimada den Bau noch unter Kontrolle haben.«
»Was spricht dagegen?«
»Lass uns aussteigen, bitte.« Shao griff nach dem Türhebel. »Ich kann nicht mehr länger bleiben.«
Sie bewegten sich in die Stille hinein. Nicht einmal der Morgenwind erzeugte Geräusche, wenn er durch die Trümmer fuhr und seinen Weg in die Lücken fand.
Sie gingen sehr langsam vor. Suko schaute nach rechts, Shao nach links, weil sie jederzeit mit einem Überfall rechneten, obwohl nichts darauf hinwies.
Sie gingen den Hauptweg so weit vor, bis die Trümmer einer Wand ein hohes Hindernis aufgebaut hatten, was sie nicht überklettern wollten. Das Hindernis war einmal der Turm gewesen, in dem Yakup und Ali gelebt hatten.
»Ob wir Alis Grab finden werden?«, fragte Shao.
»Ich weiß es nicht.«
»Er muss ihn aber begraben haben.«
»Lass uns weitergehen.« Suko hatte eine Lücke gefunden. Er ging dorthin, wo noch höhere Mauern standen, die eine graugrüne Farbe hatten und nicht umgekippt waren.
Durch eine breite Lücke konnten sie schlüpfen und gelangten in den Innenhof, den es schon damals in etwa gegeben hatte. Dort konnten sie erkennen, dass an der Innenseite noch mehr stand. Die Mauern umgaben einen bestimmten Platz, der früher einmal zu Trainingsplätzen gedient hatte. Leer war er jetzt auch nicht.
Das Licht der Morgensonne fiel in einem bestimmten Winkel gegen eine bestimmte Stelle des Innenhofs. Genau dort glänzte etwas auf. Chrom und Stahl bildeten eine vernietete und verschweißte Einheit, die auch Formen annahm.
Genau sieben aufgebockte Motorräder standen dort nebeneinander. Die Easy-Rider-Modelle mit den langen Lenkern. Eine Nostalgie, die nach mehr als zwanzig Jahren wieder aktuell war.
Beide wussten, dass dieses Kloster doch nicht so unbewohnt war…
***
Sie bewegten sich nicht, die Blicke glitten nur durch den Innenhof, streiften über die Maschinen hinweg und weiter zu der Rückwand des Klosters, die noch in Ordnung war.
Wie auch die viereckigen Fenster und der Eingang ins Innere.
»Es ist wieder besetzt worden«, murmelte Shao. »Und sicherlich nicht von Zombies. Oder glaubst du, dass diese auf Feuerstühlen hocken und sie steuern werden?«
»Kaum.«
»Rocker?«
Suko hob die Schultern. »Nicht unbedingt. Vielleicht Aussteiger, die es in den großen Küstenstädten nicht aushielten. Jedenfalls werde ich mir sie näher anschauen.«
»Ohne mich.«
»Willst du kneifen?«
»Nein, aber ich gehe einen anderen Weg. Ich werde versuchen, einen Zugang zum Keller zu finden, wo sich der Leichenbaum
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