065 - Dem Dämon als Geschenk
Parks sollte aus dem Haus kommen, sondern ich.
Blitzschnell griff ich nach der Stablampe und huschte durch das Zimmer. Vicky drehte sich soeben wieder um, als ich die Tür vorsichtig aufzog und auf den Flur hinaustrat. Mir verschlug es den Atem. Ich sah Esther, die sich wie in Trance bewegte. Barfuß war sie, und sie trug nur ein hauchdünnes Nachthemd, durch das ihr makelloser Körper schimmerte.
Sie wußte nicht, was sie tat. Die Hexe und der Hexer mußten eine Verbindung zu ihr hergestellt und ihr Denken ausgeschaltet haben. Auf telepathischem Wege schien das Mädchen einen Befehl erhalten zu haben, und sie wäre in ihr Verderben gelaufen, wenn ich nicht aufgepaßt hätte. Es hatte sich gelohnt, wachzubleiben.
Esther Parks hatte den Auftrag, sich aus dem Haus zu schleichen. Niemand sollte es bemerken. Pech für Zachary Jaggom und seine Geliebte, daß es mir nicht verborgen blieb.
Esther erreichte die Treppe und stieg die Stufen hinunter. Wie ein Gespenst sah sie aus. Keiner ihrer Schritte war zu hören.
Ich eilte ihr nach und holte sie am unteren Treppenende ein. »Esther!« sagte ich gepreßt, griff nach ihr und hielt sie zurück, doch sie riß sich los und wollte weitergehen.
Sie mußte dem Ruf des Bösen gehorchen, doch damit war ich nicht einverstanden. Ich packte härter zu und sprach sie etwas lauter an, jedoch nicht so laut, daß es außer uns beiden irgend jemand im Haus hörte. Sie wehrte sich.
Der Befehl wirkte auf sie wie ein Magnet auf Eisen. Er zog sie an, und sie wollte unbedingt gehorchen. Daß es ihr sicherer Tod gewesen wäre, wenn sie Jaggom und seiner Geliebten in die Hände gefallen wäre, wußte sie nicht.
Sie wußte überhaupt nichts… Wie eine Schlange wand sie sich. Unbedingt versuchte sie freizukommen. Es widerstrebte mir, sie zu ohrfeigen, aber ich mußte es tun, damit sie zu sich kam.
Klatsch! Die erste Ohrfeige warf ihren Kopf nach links.
Klatsch! Die zweite Ohrfeige rückte ihr den Kopf wieder gerade.
Ihre Lider flatterten kurz, und dann hörte sie auf, sich zu wehren.
»Mr. Ballard!« Verdattert schaute sie mich an.
Ich ließ sie los. Sie kam sich im Nachthemd halb nackt vor und schämte sich. Verwirrt blickte sie sich um.
»Wie komme ich hierher?« fragte sie.
»Geistern Sie zum erstenmal im Schlaf durch das Haus?« fragte ich zurück. Von den unheimlichen Rufen, die sie hinauslocken sollten, sprach ich nicht. Ich wollte sie nicht noch mehr aus der Fassung bringen.
»Ich bin keine Schlafwandlerin.«
»Haben Sie eine andere Erklärung für Ihr Hiersein?« fragte ich. Mir war klar, daß sie keine hatte, dann Jaggom und die Hexe hatten ihr Bewußtsein ausgeschaltet. Sicher warteten die beiden jetzt schon ungeduldig auf das Mädchen.
Ich mußte mich beeilen.
»Wohin wollte ich gehen?« fragte das Mädchen.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, wohin Sie jetzt gehen werden: in Ihr Zimmer. Gehen Sie zu Bett und versuchen Sie weiterzuschlafen. Wie Sie sehen, bin ich auf der Hut. Sie brauchen keine Angst zu haben.«
Der Blick des Mädchens verfinsterte sich. »Ich habe wieder geträumt, Mr. Ballard. Die Teufelskapelle war in meinem Traum nicht mehr zugemauert, und etwas Grauenvolles spielte sich darin ab. Was, das kann ich nicht sagen, aber es scheint in meinem Traum sehr viel Blut geflossen zu sein. Und danach verließen Vanessa Drake und Zachary Jaggom die Kapelle, in ihre schwarzen Kutten gehüllt. Sie kamen hierher, und sie riefen meinen Namen. Mein Gott, Mr. Ballard, sie riefen mich.«
»Es war nur ein Traum«, versuchte ich das Mädchen zu beruhigen.
Aber sie starrte mich mit furchtgeweiteten Augen an. »Sie riefen mich, und ich bin ihrem Ruf gefolgt. Deshalb befinde ich mich jetzt hier in der Halle. Wenn Sie es nicht gemerkt hätten, wäre ich verloren gewesen!«
»Unsinn, Miß Parks…«
»Sie sind irgendwo dort draußen und warten auf mich«, sagte das Mädchen heiser. »Sie sind nicht mehr gefangen. Irgend jemand muß sie freigelassen haben.«
Ich fragte mich, ob das überhaupt nötig war. Konnten sich Jaggom und seine Geliebte nicht jederzeit selbst befreien? Soviel ich von Timothy Parks wußte, hatte man es versäumt, beim Zumauern des Tors dem Mörtel Weihwasser beizumengen. Auch mit Bannsprüchen hatte man die Mauer nicht gesichert.
Folglich konnten Höllenkräfte sie jederzeit zum Einsturz bringen. Und ein verschlossenes Tor aufzusprengen kostete Zachary Jaggom und Vanessa Drake bestimmt nicht viel Mühe.
War Esthers Traum Wirklichkeit gewesen? Wessen
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