065 - Dem Dämon als Geschenk
Meola, was wir tun könnten.
»Erst mal telefonieren«, sagte ich und wies auf den Apparat. »Darf ich?«
»Selbstverständlich, Tony.«
Ich wählte meine eigene Nummer, rief zu Hause an. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich jemand meldete. Die Stimme war leicht zu erkennen. Sie gehörte Mr. Silver.
»Tony!« Er freute sich über meinen Anruf. »Wie geht es euch in Barrywater?«
Ich gab seiner Freude einen gehörigen Dämpfer. »Kannst du sofort kommen, Silver?«
Der Tonfall meiner Stimme alarmierte ihn. »Ist etwas passiert? Ich dachte, ihr würdet ein paar Tage unbeschwerten Urlaub machen.«
»Vicky ist verschwunden«, sagte ich ernst.
Das warf selbst ihn aus dem Gleichgewicht. Ich hörte, wie er die Luft schwer einzog.
»Verschwunden? Wieso verschwunden?«
Ich erzählte ihm im Telegrammstil alles, was ich wußte, sprach von Vanessa Drake und Zachary Jaggom, vom Fluch, den zweihundert Jahren, die seitdem vergangen waren…
Und Mr. Silver sagte zu, noch in dieser Stunde loszufahren. Ich legte den Hörer auf. Meine Handfläche war genauso schweißfeucht wie meine Stirn.
Di Meola sah mich schuldbewußt an. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Vicky und mich in sein Haus geholt hatte. Hätte er das nicht getan, wäre Vicky Bonney diesem Hexerpaar nicht in die Hände gefallen.
Nun, dafür hätten sich Jaggom und seine Geliebte Esther geholt, und auch das wäre schlimm gewesen.
Der Maler äußerte den Wunsch, sich die Kapelle anzusehen. Da das meiner Ansicht nach zur Zeit nicht gefährlich war, nickte ich und sagte: »Gehen wir.«
Von einer Schuld konnte ich di Meola nicht lossprechen: Wenn er in seinem Brief geschildert hätte, was er befürchtete, wäre ich nicht mit Vicky Bonney gekommen, sondern mit Mr. Silver.
Aber hatte es jetzt noch einen Sinn, dem Maler Vorwürfe zu machen? Er geißelte sich selbst damit. Und Vicky Bonney brachte uns das nicht zurück. Wir begaben uns zu der Teufelskapelle, in der ich die Nacht verbracht hatte. Der Verwalter begleitete uns. Still und ausgestorben stand das alte Gebäude da.
Es war nicht gefährlich, es zu betreten.
Es hatte den Anschein, als wollte die Kapelle alle Gerüchte, die sich um sie rankten, Lügen strafen. Nichts von dem, was sich die Leute erzählten, schien wahr zu sein.
Aber seit der vergangenen Nacht wußte ich es besser.
Am Nachmittag traf Mr. Silver ein, und ich sah, daß er nicht allein im Mietwagen saß. Er hatte jemanden mitgebracht: meinen Vorfahren Anthony Ballard, den Hexenhenker, ein Mitglied des »Weißen Kreises«.
***
Genau genommen hatte alles mit Anthony Ballard angefangen. Ich wäre nie das geworden, was ich heute bin, wenn es Anthony Ballard nicht gegeben hätte.
Er brachte den Stein ins Rollen, als er sieben Hexen aufknüpfte.
Sie schworen unserem Dorf damals Rache, und alle hundert Jahre kamen sie, um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Und immer war unter ihren Opfern ein Ballard.
Auch ich sollte ihnen zum Opfer fallen, doch ich drehte den Spieß um, vernichtete sie endgültig und entschloß mich dazu, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Mir kam es vor, als läge das eine Ewigkeit zurück.
Der Hexenhenker fiel auf wie ein bunter Hund. Kein Wunder - er war ein kräftiger Mann mit nacktem Oberkörper. Selbst bei diesen herbstlichen Temperaturen.
Seine Muskelpakete glänzten, als wären sie mit Öl eingerieben, und er trug eine blutrote Gesichtsmaske und eine eng anliegende Hose in derselben Farbe. Ein breiter Ledergürtel mit riesiger Schnalle war um seine Taille geschlungen, und in seinen Händen hielt er ein Beil mit magisch geschärfter Klinge, als er den Wagen verließ. Ich ging ihm und Mr. Silver entgegen.
»Er ließ es sich nicht nehmen, mitzukommen«, sagte der Ex-Dämon.
Der »Weiße Kreis« war eine selbständig arbeitende Institution. Wir waren mit allen Mitgliedern gut befreundet. Ihr großer Vorteil war Yuums Auge. Es befand sich im Keller ihres Hauses und zeigte ihnen schwarze Aktivitäten, auf die sie prompt reagierten.
Durch Yuums Auge hatte mein Ahne erfahren, was hier lief. Er hatte sich sogleich zu Mr. Silver begeben, um mit ihm nach Barrywater zu fahren.
Natürlich waren zunächst alle im Haus des Malers mächtig verwirrt, als sie den Hexenhenker sahen. Ich glaube, sie fürchteten sich sogar ein wenig vor ihm. Mir war klar, daß ich ihnen Zeit lassen mußte, sich an ihn zu gewöhnen.
Er sah ja wirklich zum Fürchten aus.
Ich war froh, daß er mitgekommen war. Er war eine brauchbare
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