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065 - Überfallkommando

065 - Überfallkommando

Titel: 065 - Überfallkommando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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wahr? Und dann bist du aufgestanden und hast gesehen, daß du geträumt hast!« suggerierte ihm Mark.
    Aber Tiser schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich habe nicht geträumt. Er war wirklich da, er saß auf dem Stuhl und sah mich an. Zuerst hatte er nichts gesagt - aber dann sprach er wieder zu den Geistern und streichelte die kleinen Kinder. Was nachher geschah, weiß ich nicht mehr, ich habe wohl die Besinnung verloren. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein fürchterliches Gefühl. Es war schon hell, und bald darauf ging die Sonne auf ...«
    »Und er war nicht in deinem Zimmer!« fuhr ihn Mark an. »Ich glaube, du mußt dir eine andere Whisky-Marke aussuchen.«
    »Ich habe ihn aber ganz bestimmt gesehen«, beharrte Tiser kläglich. »Glaubst du denn, ich könnte mich täuschen?«
    »Entweder faselst du mir etwas vor, oder du warst besoffen!« erwiderte Mark verächtlich. »Warum sollte denn Li Yoseph ausgerechnet zu dir kommen? Er müßte doch wohl bei mir erscheinen! Das hätte noch eher Sinn und Verstand! Entweder hast du Gespenster gesehen, oder einer dieser Verbrecher aus der Herberge hat deinem Zimmer einen Besuch abgestattet, um zu sehen, ob er dort nicht etwas finden könnte.«
    »Die Tür war aber verschlossen«, unterbrach ihn Tiser.
    »Kann man denn nicht durch das Fenster einsteigen? Es ist doch für einen erfahrenen Einbrecher die leichteste Sache von der Welt, in dein Zimmer zu kommen. Nein, durch dein Gefasel lasse ich mich nicht einschüchtern. Li Yoseph ist tot, er kommt nicht wieder. Hörst du, was ich dir sage? Du hast ihn weder gesehen noch gehört. Es war alles nur ein böser Traum ...«
    Plötzlich sprang Tiser auf und starrte Mark entsetzt an.
    »Hör doch«, flüsterte er atemlos. »Mark! Kannst du es hören?«
    McGill wollte ihm eben eine grobe Antwort geben, als auch er den Klang vernahm, der von der Straße kommen mußte. Es war der leise, singende Ton einer Violine, auf der jemand die Melodie von Tostis »Chanson d'Adieu« spielte. Mit einem unterdrückten Fluch eilte Mark zur Balkontür, zog die Vorhänge auf und trat hinaus.
    Aber es war niemand auf dem Gehsteig vor dem Haus zu sehen, auch war nichts zu hören.
    Er ging ins Zimmer zurück und schloß die Tür. Im selben Augenblick vernahm er auch die Melodie wieder. Jetzt schien sie von der Wand her zu kommen.
    Dann brach das Spiel plötzlich ab.
    Es klopfte, und Mark öffnete. Ann Ferryman kam herein.
    »Haben Sie die Violine gehört?« fragte sie.
    »Ja. Treten Sie bitte näher.«
    »Ich saß in meinem Schlafzimmer und nähte« - sie zeigte auf die Wand -, »als ich plötzlich das Spiel hörte. War es nicht die Melodie, die Li Yoseph liebte?«
    Tiser blinzelte und schwätzte wie ein Verrückter.
    »Sie haben es gehört?« wimmerte er. »Das war Li Yoseph. Niemand spielte die Melodie so wie er ... Er hat niemals den richtigen Takt gehalten ... Mark, ich will schwören, daß es Li ist! Bestimmt war er in meinem Schlafzimmer!«
    McGill packte ihn an der Schulter und schleuderte ihn auf das Sofa.
    »Du bleibst hier sitzen und hältst jetzt den Mund, du Affe!« sagte er rauh. »Achten Sie nicht auf ihn, Ann, er ist schon wieder betrunken.«
    »Wann hat er denn Li Yoseph gesehen?«
    »Er hat ihn überhaupt nicht gesehen - er hat doch nur geträumt. Was kann man denn von einem solchen Trunkenbold erwarten, der niemals nüchtern zu Bett geht?«
    Tiser wollte protestieren, aber Mark achtete nicht auf ihn.
    »Tiser ist verrückt. Jeder kann ihm doch ansehen, daß er nicht ganz bei Vernunft ist. Das war eben irgendein Straßenmusikant, in einer so stillen Nacht wie heute kann man eine Violine unheimlich weit hören. Wahrscheinlich spielte jemand in der Nähe. Sie wollen schon wieder gehen, Ann?«
    Sie stand bereits an der Tür.
    »Ja. Ich war nur neugierig, ob Sie es auch gehört hätten. Das war alles.«
    Bevor er sie aufhalten konnte, war sie schon gegangen. Er hörte, wie sie die Tür ihrer Wohnung schloß. Mit einem Schritt war er am Sofa, packte Tiser, riß ihn in die Höhe und schüttelte ihn heftig.
    »Wie oft habe ich dir Esel schon gesagt, daß du das Mädchen nicht durch deine Dummheiten erschrecken sollst! Nimm dich in acht, Tiser! Wenn du mir gefährlich wirst, gehst du denselben Weg wie Li Yoseph. Das kann ich dir ruhig sagen, denn du kannst mich ja nicht anzeigen, ohne selbst an den Galgen zu kommen.«
    Er stieß Tiser vor sich her, der sich nur mit Mühe aufrecht halten konnte.
    »Es ist schon gut, Mark«, sagte er unterwürfig.

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