065 - Überfallkommando
nur kurz und formell:
›Meine liebe Ann, es tut mir sehr leid, daß ich heute abend nicht kommen kann. Es ist eine sehr wichtige Sache zu erledigen. Darf ich Sie morgen abend sehen?‹
»Was soll denn das bedeuten?« stotterte Tiser.
Mark sah ihn verächtlich an.
»Wirst du gleich wieder Krämpfe bekommen, wenn ich es dir sage? Entweder hat sie das Kokain für Bradley aufbewahrt - das wäre sehr schlimm für uns -, oder sie hat es zurückbehalten, um festzustellen, daß sie wirklich Kokain transportiert hat. Wie es nun auch immer sein mag, sie ist gefährlich geworden. Irgend jemand muß morgen früh nach Paris fahren und von Boulogne aus in Anns Namen ein Abschiedstelegramm an Bradley senden.«
Tiser hob den Blick langsam.
»Was soll denn mit Ann geschehen?« fragte er erregt.
»Das Haus ist doch leer - es ist doch sehr einfach ...«
Das Telefon klingelte, und Tiser fuhr erschrocken in die Höhe.
»Sieh zu, wer anruft!« befahl Mark.
»Wer ...« begann er, als er schon die andere Stimme hörte:
»Ist es der gute Tiser? Ist Mark bei ihm? Ich wollte mit ihm sprechen.«
Tiser bedeckte die Sprechöffnung mit seiner zitternden Hand.
»Es ist Li«, flüsterte er heiser. »Er will mit dir reden.«
McGill riß ihm den Hörer aus der Hand.
»Nun, Li, was willst du von mir?« fragte er mit scharfer Stimme.
»Von wo aus sprichst du denn?«
Er hörte ein leises Lachen.
»Nicht von Lady's Stairs. Dort haben wir noch kein Telefon Das ist zu modern für das alte Haus. Ich werde dich bald sehen, Mark.«
»Wo bist du denn?«
»Komme nach Lady's Stairs, Mark - nicht morgen, aber an einem der nächsten Tage, und bringe die junge Dame mit, Ronnies Schwester. Der arme Junge .«
Mark hörte, wie er wieder zu seinen kleinen, unsichtbaren Kindern sprach, und lächelte verächtlich.
»Lady's Stairs - gut, ich werde hinkommen.« »Und den guten Tiser wirst du auch mitbringen? Ich hoffe doch, daß du kommst Mark. Mein Gedächtnis, das mich im Stich gelassen hatte, ist wieder besser geworden.«
Mark verstand die versteckte Drohung wohl, die in diesen Worten lag, und konnte nicht gleich antworten.
»Also am Freitag - um wieviel Uhr?«
Der alte Mann erwiderte nichts darauf, und Mark hörte, wie drüben aufgelegt wurde.
»Was wollte er denn eigentlich, Mark? Er wird doch nichts gegen uns unternehmen?«
»Er sagt, daß er sich wieder an alles erinnert. Aber wer wird diesem alten, verrückten Teufel ein Wort glauben?«
Er nahm den Hörer wieder ab und wählte eine Nummer, die Tiser wohlbekannt war.
»Sind Sie dort, Ann? Hier ist Mark. Ich bin in dem Versorgungsheim. Bradley ist auch hier. Er möchte Sie wegen des Stoffes sprechen, den Sie von Ashdown Forest mitgebracht haben.«
Ann holte tief Atem. »Welchen Stoff ...«
»Na, Sie wissen doch, Ann. Er sagte, Sie hätten eine kleine Büchse Koks mitgebracht - ja, Kokain; tun Sie doch nicht so, Sie wissen doch, was Koks ist.«
Er sprach absichtlich ungeduldig und erregt, und sein rauher Ton überzeugte sie, daß er die Wahrheit sprach. Sie glaubte, daß Bradley dort war, um eine Untersuchung durchzuführen.
»Ich werde sofort kommen.«
»Nehmen Sie ein Auto«, sagte Mark und legte auf.
Tiser starrte ihn an.
»Warum soll sie denn herkommen?« fragte er zitternd, aber Mark gab ihm keine Antwort.
Er steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch zur Decke.
»Erinnerst du dich noch an den Spektakel, den wir vor etwa vier Jahren im Hause hatten, als ein paar Leute das Delirium bekamen?«
Tiser nickte langsam.
»Weißt du noch, was wir mit ihnen machten?«
Tiser holte tief Atem.
»Mein lieber Mark, wir befolgten deinen eigenen Vorschlag. Wir haben sie in Zimmer Nr. 6 gesperrt. Aber seit vielen Jahren ist der Raum nicht mehr gebraucht worden.«
Mark nickte.
»Wir haben sie in Nr. 6 gesteckt, weil sie da soviel schreien konnten, wie sie wollten, ohne daß sie jemand hörte. Das war doch eine glänzende Idee von mir, was? Ist die Zelle jetzt frei?«
»Ja, Mark ... aber du willst doch nicht ... Das ist doch der erste Raum, den sie nach ihr durchsuchen würden ...«
»Das glaube ich nicht. Wenn Bradley morgen früh ein Telegramm bekommt, in dem sich Ann von ihm verabschiedet, wird er uns vorläufig nicht belästigen. Ich werde dafür sorgen, daß ihre Koffer aus der Wohnung verschwinden.«
Tiser schwankte in seinem Stuhl hin und her und rang die Hände.
»Tu das nicht - das darfst du nicht tun. Dieses arme junge Mädchen .«
»Du scheinst überhaupt nicht
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