0651 - Die Rache der Wölfin
war Nadine am Ziel. Da stolperte sie über eine Schwelle und hatte das Gefühl, vom schwingenden Schein der Lampe aufgesaugt zu werden.
Sie wunderte sich, dass er immer stärker schwankte und die nackte Glühbirne nicht über dem Tisch zur Ruhe kam.
Schuld daran trug eine Person, die sich bisher im toten Winkel versteckt gehalten hatte und nun vortrat, als Nadine gegen den Tisch prallte und diesen ein Stück vorschob.
»Ich grüße dich, Nadine«, sagte sie.
Die Flüchtende fiel über den Tisch. Bäuchlings blieb sie liegen und wusste, dass sie vom Regen in die Traufe geraten war, denn keine Geringere als Morgana Layton hatte sie angesprochen…
***
Sehr bald spürte sie den Griff der Frau. Da wühlten sich Finger in Nadines Kleidung und rissen sie in die Höhe, wobei sie herumgeschleudert wurde und erst zur Ruhe kam, als Morgana ihr aus kürzester Entfernung in die Augen schauen konnte.
Nadine starrte in das Gesicht, wo die Haut wie geschliffener Marmor wirkte. Ihre Nasenflügel zitterten leicht, die Lippen zeigten ein geringschätziges Lächeln.
Ohne Nadine loszulassen, begann sie zu sprechen. »Du versuchst es doch immer wieder, kleine Nadine. Das verstehe ich nicht. Ist dir nicht klar, dass wir die Stärkeren sind und du keine Chance gegen uns hast?«
»Schon, aber…«
»Will Mallmann wollte dich. Er wird dich bekommen. Aber ich muss wirklich lachen, denn ich hätte nicht gedacht, dass du ihm entwischen würdest. Mein Kompliment, Nadine. Du hast es geschafft, du bist wirklich außergewöhnlich.«
»Lass mich los, lass mich gehen - bitte!«
Die Layton konnte nur lachen. »Du flehst mich an? Du bittest mich, Nadine?«
»Ja, verdammt!«
Morgana Layton schüttelte den Kopf. »Nein, Nadine, nein! So haben wir nicht gewettet. Wenn ich mich einmal entschieden habe, dann für immer. Ich gehöre nicht zu den Personen, die einmal so denken und dann wieder anders. Tut mir nicht einmal Leid für dich, aber Will Mallmann und ich haben uns abgesprochen.«
Nadine wollte etwas erwidern und es noch einmal versuchen, aber die Werwölfin stieß sie mit einer Geste von sich, als würde sie sich vor ihr ekeln.
Nadine konnte den Schwung nicht mehr abfangen. Es erging ihr wie zuvor dem Vampir. Sie flog zurück. Erst die Wand stoppte sie. Ihr Körper wurde durch die Pendelbewegungen der Lampe in ein Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht.
Dann war er da!
Mallmann stand in der Tür, und das D auf seiner Stirn glühte noch stärker.
Es war ein perfekter Auftritt, eine Szene wie aus einem Horrorfilm.
Dabei brauchte er nichts zu sagen. Er stand da und schaute nur. Noch war sein Mund geschlossen, dafür übernahm Morgana Layton das Wort. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie dir entwischen würde.«
»Sie wäre mir nicht entkommen.«
»Ja, weil ich sie aufgehalten habe.«
»Auch so nicht!« Mallmann gab sich ungemein sicher und verwandelte sich in den nächsten beiden Sekunden zu dieser grausamen Figur des Dracula II, als er die Oberlippe von seiner Zahnreihe zurückzog und die beiden Hauer zum Vorschein kamen.
Nadine bewegte sich nicht. Sie schaute auf Morgana, die kalt lächelte und abwartete.
»Das ist mein Spiel«, sagte Mallmann.
»Sicher, Will, sicher.«
Dracula II nickte, als er näher kam. Er war kaum zu hören. Die Arme hielt er leicht vorgestreckt und seine Finger kamen Nadine vor wie dicke, bleiche Spinnenbeine.
Genau in diesem so langen und fürchterlichen Augenblick wurde ihr klar, dass sich ihr normales Leben allmählich dem Ende zuneigte. Das Wissen war plötzlich über sie gekommen. Gleichzeitig hatte sich der Wille zu einer Gegenwehr verringert. Sie würde es nicht schaffen, wenn Mallmann sie in die Arme nahm und ihr den Vampirkuss gab.
Flüsternd sprach er sie an. »Meine Braut«, wehte es Nadine entgegen. »Du wirst bald meine Braut sein.«
Nadine erwiderte nichts. Nur ihr Blick flackerte und die Augenwimpern bewegten sich zitternd.
Ihre Hoffnung hatte sie längst begraben, ihr Menschsein war schon vergessen. Kein Gedanke mehr an John Sinclair und seine Freunde, die ihr eventuell noch hätten helfen können. Das lag alles so weit zurück, dass sie es schon vergessen hatte.
Sie sah nur das schwankende Licht, dessen Schatten über die Wände geisterte und diesem Todesverlies ein düsteres Leben gab.
Mallmann ließ sich nicht stoppen. Diesmal sah Nadine, wie er seine Hand ausstreckte. Sie ließ es wehrlos geschehen, als er mit den Fingerspitzen über die Haut am Hals strich und noch
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