0653 - Alfreds kleiner Horror-Laden
nichts. Manchmal hörte sie ihn atmen oder sah sein Nicken. Dann streckte er plötzlich beide Arme schräg dem Fußboden entgegen und spreizte mit einer hastigen Bewegung beide Hände, als wollte er seine Sammlung beschützen.
Das Mädchen begriff nichts. Es wunderte sich nur darüber, dass es sich allein auf die Hände konzentrieren konnte. Alles andere war unwichtig geworden.
Eines aber wurde wichtig.
Die runden Scheiben auf dem Fußboden, die bisher still gelegen hatten, fingen an, sich zu bewegen.
Zunächst drehten sie sich, sie kratzten dabei sogar übereinander, was Teddy Arden nicht störte. Im Gegenteil, auf seinem Gesicht breitete sich Zufriedenheit aus, wie man sie sonst nur von sanft Entschlafenen kannte, deren Seelen sich auf dem Weg ins Jenseits befanden.
»Siehst du es?«, zischelte er ihr zu. »Siehst du, was mit meinen Freunden geschieht?«
»Ja, ich sehe es, bin nicht blind. Aber wieso, Teddy? Was - was soll das alles?«
»Das wirst du gleich erleben, Kate, denn meine Kinder werden sich rächen. An dir rächen…«
Dann lachte er. Es klang, als käme es nicht aus seinem Mund, sondern aus der Hölle…
***
Einige Meilen von Londons City entfernt. Eine kleine, aber sehr berühmte Stadt an der Themse.
Eton!
Bekannt für seine Eliteschule, seine Uni, die neben der von Oxford und Cambridge zu den Berühmtesten gehörte. Wer in Eton seinen Abschluss geschafft hatte, brauchte sich um einen Job keine Sorgen zu machen. Dafür sorgten schon die ehemaligen Eton-Zöglinge, die später, als Erwachsene, in den entsprechenden Positionen der Wirtschaft saßen und regierten.
Die Schule, die alten Gebäude und die Vergangenheit waren die eine Seite der Stadt.
Es gab auch noch eine andere und die lag am Rande, nahe der Themse, versteckt in einer ruhigen Flusslandschaft.
Ein verwinkeltes Haus, mehr ein altes Lager, gleichzeitig Wohn- und Geschäftshaus eines Mannes, der Alfred hieß und hier seinen Laden eingerichtet hatte.
Alfreds kleiner Horror-Laden!
So war das Geschäft von einigen Kunden getauft worden, die es wissen mussten. Sie kannten sich sehr gut aus, denn sie gehörten zu den Kunden, die wussten, was sie wollten.
Alfred verkaufte alles. Vom einfachen Topf bis hin zum Skelett eines Menschen oder eines Tieres.
In seinem Laden verbargen sich Schätze, die zu entdecken sich lohnte.
Viele Besucher und Kunden gingen achtlos an den wirklich wahren Dingen vorbei, wie Alfred immer sagte. Er hatte einen Blick für Kunden und er wählte sie genau aus, bevor er sie ansprach und bestimmte Gegenstände an sie verkaufte.
So interessant wie der Laden war auch das nach hinten gelegene Büro.
Nicht einmal unbedingt klein von den Ausmaßen her, aber voll bepackt mit den verschiedensten und unterschiedlichsten Erbstücken aus vergangenen Zeiten.
Auf dem großen Tisch stand der Mörser neben dem Totenschädel. Beide wiederum lagen auf Risszeichnungen, auf denen die Umrisse eines Bootes und die eines Menschen abgebildet waren.
Neben einer dicken Kerze steckte die Spitze eines langen Dolchs in der Tischplatte. Sogar ein Degen hatte dort seinen Platz gefunden. Sein Griff beschwerte ein aufgeschlagenes Buch, das aus zahlreichen Zeichnungen bestand.
Und vor dem Tisch saß Alfred!
Eine irgendwie alterslose Gestalt, trotz des weißen Barts, der sein Kinn umwucherte. In seinem etwas klobigen Männergesicht fielen besonders die Augen auf, von denen manche behaupteten, dass sie einen nahezu dämonischen Ausdruck hatten.
Dunkel, gefährlich und geheimnisvoll…
Und als geheimnisvoll konnte auch die Kleidung des Mannes bezeichnet werden. Zumindest ungewöhnlich, denn wer trug schon eine rote Kappe auf dem Kopf, die jedes Haar verbarg. Seine grüngoldene Jacke war an den Schultern ausgestopft und der weiße, sehr breite Kragen gab ihr einen etwas unschuldigen Ausdruck.
Das Gesicht des Händlers musste etwas von der Farbe der Jacke angenommen haben, denn seine Haut schimmerte ebenfalls grünlich. Am Schein der Kerze lag es nicht. Sie leuchtete, obwohl das Deckenlicht eingeschaltet worden war.
Die Züge des Mannes zeigten schon sehr deutlich, welch ein Leben hinter ihm lag. Da hatten sich die Falten wie breite Spuren in die Haut gegraben, sodass der Ausdruck wie eine Landschaft wirkte.
Er saß da und bewegte nur seine Hände, die hin und wieder die Seite eines Buchs umblätterten.
Er sprach kein Wort, war ebenso stumm wie die Person hinter ihm. Die Frau stand da, als wäre sie mit dem Rücken gegen die Wand
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