0658 - Was Turro mit den Mädchen machte
Sommergras schimmerte. Ihre Augen zeigten einen gewissen Glanz. Sie kam mir vor, als wäre sie nicht mehr ganz nüchtern.
»Sie wünschen?«
»Ein Gespräch mit Ihnen.«
»Nein, nur auf vorherige telefonische Anmeldung. Ich erwarte gleich Besuch und da…«
Ich stoppte ihren Redefluss mit zwei Worten. »Scotland Yard, Su!«
»Oh.«
»Dürfen wir jetzt eintreten?«
»Natürlich.«
Wir gelangten in eine Wohnung, die mehr als zwei Zimmer hatte. Susan führte uns durch eine nun offen stehende Tür in einen Raum, der in gedämpftes Licht getaucht war.
Weiche Polstermöbel, die schon einer Landschaft glichen, verteilten sich auf dem hellen Boden. Bei einem roten Lackschrank standen die Türen offen. Die Flaschen darin konnten sich sehen lassen.
Su hatte auf die Glotze geschaut und Weißwein dabei getrunken. Sie schaltete den Apparat aus.
»Was wollen sie denn? Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Tut mir Leid.«
»Es geht nicht um Sie, sondern um Andy Gere.«
Sie ging einen Schritt zurück und raffte den seidenen Mantel vor ihrer Brust zusammen. »Um Andy?« Sie lachte komisch. »Aber der ist doch tot, wissen Sie das nicht? Die Polizei hat sich sehr für sein Ableben interessiert.«
»Er starb an Aids?«
»Ja.«
»Waren Sie mit auf der Beerdigung?«, fragte ich. »Können Sie sich daran noch erinnern?«
Ihr Puppengesicht bekam einen erstaunten Ausdruck. »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Weshalb nicht?«
»Das will ich Ihnen sagen. Es hat keine Beerdigung gegeben!«
»Wurde er verbrannt?«
»Nein, Sir. Wie wollen Sie etwas verbrennen, was nicht vorhanden ist? Das geht doch nicht - oder…«
Ich hob einen Arm. »Moment mal, Su, und bitte langsam. Er wurde nicht beerdigt, er wurde nicht verbrannt, weil es nichts gab. Soll das heißen, dass keine Leiche vorhanden war?«
»Sehr richtig, Mr. Sinclair. Andy Geres Leiche war verschwunden…«
***
»Mein Gefühl, John, mein Feeling. Ich glaube, du musst mir Abbitte leisten.«
Ich nickte sehr langsam. »Ja, das kann sein, das kann wirklich sein, Suko.«
Susan Carveccio verstand von dem nichts. Sie trank einen Schluck Wein, bevor sie fragte: »Wollen Sie mir nicht erklären, was Sie so aus der Fassung gebracht hat?«
»Das Verschwinden der Leiche natürlich.«
»Ja, schon. Aber das ist jetzt fast drei Jahre her. Niemand kümmerte sich mehr darum.«
»Ist denn nachgeforscht worden, wo der Tote eventuell hätte geblieben sein können?«
»Nein oder ja.«
»Sie hat man nicht eingeweiht?«, fragte Suko.
»Natürlich nicht. Andy und ich haben uns diese Wohnung geteilt.«
»Weil Sie im gleichen Job tätig waren.«
»Ja, Mr. Sinclair.«
»Dann kannten Sie Andy Gere recht gut, nehme ich an.«
»Das kann man wohl sagen. Er war ein attraktiver Mann. Allerdings auch bi. Was er ausnutzte, denn ihn besuchten auch Männer. Viele Künstler befanden sich darunter. Er hatte Chancen noch und noch. Bei Frauen und Männern. Manchmal habe ich den Eindruck, als wäre er gar nicht tot.«
»Wie kommt das denn?«
Sie lächelte Suko zu, holte eine Weinflasche aus dem Kühler und schenkte das Glas wieder voll.
»Ach wissen Sie, es mag eine Spinnerei sein, aber ich habe das Gefühl gehabt, ihn einige Male gesehen zu haben. Hier in London kam es mir vor, als wäre ich ihm einige Male begegnet. In der City of London, beim Einkauf und zweimal in Soho.«
»Weiter.«
Su drehte sich so geschickt wie eine Tänzerin. Vielleicht war sie das mal gewesen. »Nichts weiter. Oder würden Sie einen Toten ansprechen beziehungsweise dessen Doppelgänger?«
»Wenn die Leiche verschwunden wäre, möglicherweise schon«, antwortete Suko.
»Ich jedenfalls nicht.« Sie warf den Kopf zurück und lachte. »Stellen Sie sich das einmal vor. Ich rede jemand an und sagte ihm: Hallo, du bist doch eigentlich tot. Wie kannst du mir hier über den Weg laufen? Das wäre ein Unding.« Sie fing an zu lachen und spie einen Teil des Weins wieder aus.
Ich blieb ernst. »Sie haben ihn also gehen lassen.«
»Ja.« Sie wischte über ihre Lippen. »Warum denn nicht?«
Ich hob die Schultern. »Sicher, von Ihrer Position aus haben Sie Recht, Susan.«
»Jetzt müsste man nur noch wissen, wo sich dieser Andy Gere aufhält«, sagte Suko.
»Was?«, schrie die Frau. »Ein Toter?« Sie bewegte sich so heftig, dass Wein aus dem Glas schwappte und über ihre Hände floss. Sie schüttelte die Flüssigkeit ab, die auf den Teppich tropfte.
»Wir rechnen damit, dass er nicht tot ist,
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