066 - Das Tor zur Hölle
die der Lord offenbar nicht eingehender sich äußern wollte.
»Die Reise war schön, aber anstrengend«, murmelte Bramhill.
Seine knochigen weißen Finger streichelten gedankenverloren über den Kopf einer
Dogge, die sich ihm zögernd genähert hatte.
Auch das war ein Bild, das den Butler eigenartig
berührte.
Die Tiere waren wie wild, wenn sie die Herrschaften
begrüßten. Aber nun verhielten sie sich vorsichtig und zurückhaltend, als wäre
mit der Ankunft der Bramhills etwas Fremdartiges, Bedrohliches in dieses Haus
eingekehrt.
Die Hunde waren auch nicht auf Lady Elisabeth zugegangen,
wie es sonst ihre Art war.
Der Hund, auf dessen Kopf Bramhill seine Rechte gelegt
hatte, zog sich zurück, senkte die Schnauze und schnupperte aufgeregt den Boden
ab, kam aber nicht wieder näher.
»Sie war hoffentlich erfolgreich gewesen, Sir?« Charles
versuchte in seiner kühlen, steifen Art das Gespräch fortzusetzen und keine
besonderen, verfänglichen Fragen zu stellen, die Bramhill doch nicht
beantwortet hätte.
»Ja, sehr erfolgreich.« George P. Bramhill nickte.
»Ist damit zu rechnen, daß Mylord ein neues Buch
herausgibt? Mit den sicher wieder hervorragenden Bildern von Mister Arlidge?
Apropos, Mister Arlidge, Sir: es ist das erste Mal, daß er nach einer Reise
nicht mit hierher gekommen ist.«
»Arlidge?« Bramhill nannte den Namen leise und lauschte
der eigenen Stimme nach, als müsse er erst überlegen, um wen es sich bei dem
Träger dieses Namens handelte. »Er ist nicht mitgekommen, diesmal nicht, nein
…«, fuhr er abwesend fort.
Irgend etwas stimmte hier nicht! Charles konnte sich
nicht daran erinnern, daß nach einer Forschungsreise Steven Arlidge nicht dabei
gewesen wäre!
Arlidge hatte gemeinsam mit Bramhill mehrere Bildbände
herausgegeben. Sie waren den ungelösten Rätseln vergangener Epochen und
Bauwerke auf der Spur gewesen. Es gab hervorragende Bildbände mit
ungewöhnlichen Texten, die Bramhill geschrieben hatte.
Arlidge und Bramhill waren ein unzertrennliches Gespann.
Jede Reise endete so, daß der Fotograf mitkam und
wochenlang hier im Hause wohnte und arbeitete. Gemeinsam werteten sie das
Bildmaterial aus und stürzten sich förmlich in die Arbeit. Unmittelbar nach der
Reise, noch voll von Eindrücken, kamen die besten Ergebnisse zustande.
»Mister Arlidge kommt nicht mehr«, sagte Bramhill mit
dumpfer Stimme, und griff nach dem dunkelbraunen Aktenkoffer, den er
mitgebracht und seit seiner Ankunft nicht aus den Augen gelassen hatte. »Wir
haben es gefunden«, fuhr er fort, und seine Augen nahmen einen fieberhaften
Glanz an. »Das Tor zur Hölle … Steven aber hat die Grenze überschritten. Er
wird nie wieder zurückkommen …«
Am nächsten Morgen erhielt der Butler nach dem Frühstück
den Auftrag, in die Stadt zu fahren und Besorgungen zu machen.
Charles benutzte dazu den zwölf Jahre alten Bentley, der
in der Garage hinter dem Landhaus stand.
Lord Bramhill selbst hatte diesen Wagen noch nie
gefahren.
Für ihn gab es nur seine Reisen, seine Studien und sein
Haus.
Er pflegte keinen gesellschaftlichen Kontakt und empfing
keine Gäste. Er war ein weltabgeschiedener Sonderling, der sich oft stundenlang
in den Kellergewölben des alten Hauses aufhielt. Charles hatte diese Räume nie
zu Gesicht bekommen.
Mehr als den Weinkeller kannte er nicht.
Eine Viertelstunde nach dem Wegfahren des Butlers, wurde
der Türklopfer betätigt.
George P. Bramhill saß in der Bibliothek und blätterte,
in einem Nachschlagewerk.
Die Hunde lagen in der Diele, Lady Bramhill war heute
morgen nicht aufgestanden, weil sie sich zu schwach fühlte.
Charles hatte der Kranken das Frühstück ans Bett
gebracht.
George P. Bramhill legte das Buch aus der Hand,
durchquerte die Diele und öffnete.
Vor der Tür stand John Duffrean, der Sensationsreporter.
Er stellte sich vor und bat darum, mit Bramhill einige
Worte unter vier Augen sprechen zu dürfen.
»Ich habe keine Zeit«, antwortete Bramhill schroff. Er
war an dem Gespräch überhaupt nicht interessiert. »Außerdem wissen Sie, daß ich
keine Interviews gebe.«
Damit war für ihn das Gespräch beendet, und auf seine
Weise brachte Bramhill diese Tatsache auch unmißverständlich zum Ausdruck. Er
drückte einfach die Tür zu.
Aber John Duffrean stellte seinen Fuß dazwischen. »Aber
nicht doch«, sagte er grinsend. »Werfen Sie immer ihre Gäste auf diese Weise
hinaus, Lordchen?«
Bramhills Stirnader schwoll an. »Was erlauben Sie sich?«
rief er mit
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