0660 - Die Totenstadt
dafür hockten und krabbelten die mutierten Ratten übereinander oder kratzten an den kahlen Betonwänden, um an ihnen in die Höhe klettern zu können. Eine vergebene Liebesmüh, denn immer wieder rutschten sie ab, weil es keinen Halt für sie gab.
Ich drehte mich um. Suko stand an der Treppe und hatte einen Finger auf die Lippen gelegt. Als ich neben ihm stand, hörte auch ich die Schritte von oben.
»Da kommen welche!«, wisperte Suko. »Wenn mich nicht alles täuscht, sind es zwei.«
»Okay, lass sie kommen!«
Wir brauchten kaum zu warten. Auf einmal bogen sie um die Ecke und erschienen am Ende des Treppenabsatzes.
Sie trugen die Uniformen der Truppe, aber der Stoff war zerfetzt. Er sah aus, als hätte man ihn mit Dreck und Staub überschüttet, ebenso wie die Gesichter.
Ich ließ die beiden noch zwei Stufen weitergehen. Ausweichen konnten sie nicht.
Dann schleuderte ich den Dolch!
Der Volltreffer warf die Gestalt auf die Stufenkanten. Es sah so aus, als wollte sie dort liegen bleiben, plötzlich aber rutschte sie ab und mir entgegen.
Ich trat zur Seite, weil ich von dem Wesen nicht berührt werden wollte. Als ich den Silberdolch aus der Brust zog, drang der zweite Aufprall an meine Ohren.
Suko hatte zugeschlagen.
Der endgültig erlöste Körper rollte den Rest der Treppe hinab und blieb liegen.
»Das ist es gewesen«, sagte mein Freund und schaute wieder die Treppe hoch. »Ich würde mich gern dort oben noch einmal umschauen. Da scheint ein Nest zu sein.«
»Ich nicht.«
»Also trennen wir uns.«
»Wäre am zweckmäßigsten. Jeder von uns ist bewaffnet und weiß, wie er sich zu wehren hat.«
Suko hob den Arm, ich meinen ebenfalls und wir schlugen unsere Handflächen gegeneinander. Eine Geste, die uns beiden Glück und Erfolg wünschte.
Ich schaute Suko nach, bis er den ersten Absatz erreicht hatte und verschwand. Dann näherte ich mich dem Ausgang.
Draußen war die Totenstadt in eine ungewöhnliche Farbe getaucht. Eine Mischung aus letztem fahlen Licht und auch sehr grauen Schatten, die in das Licht hineinstießen. Eine Zone des Zwielichts war geschaffen worden, sehr unheimlich wirkte sie auf mich, weil die Umrisse zerflossen und ein gespenstisches Bild schufen.
Ratten, sagt man, scheuen das Licht, aber nicht die Dunkelheit. So waren sie aus ihren Verstecken gekommen und brachten so etwas wie Leben oder Bewegung in diese graue, veränderte Welt.
Sie kümmerten sich auch nicht um mich, sondern huschten dicht an meinen Füßen entlang, um wieder in irgendwelchen Verstecken zu verschwinden, wo sie so lange lauerten, bis sie sich hervortrauten.
Es war schon ein seltsames Gefühl für mich, durch diese Welt der Toten als Lebender zu schreiten.
Die Hindernisse sah ich oft erst im letzten Augenblick. Meine Lampe schaltete ich nicht ein, weil ich auf keinen Fall wollte, dass mich der Strahl verriet.
Bis mich aus dem Grau - für mich wie aus dem Nichts kommend - eine Ratte ansprang. Ein pelziges Etwas wollte sich in meinem Körper festbeißen. Ich hielt die Beretta noch fest und hämmerte mit dem Griff auf das Tier, das seinen Angriff bald stoppte und sich schreiend zurückzog. Mit einem Tritt schleuderte ich es noch weiter.
Von Suko hörte ich nichts mehr. Das Haus befand sich in meinem Rücken. Ich drehte mich um und ließ den Blick an der Fassade entlangschweifen, die von zahlreichen Fensteröffnungen unterbrochen wurde, die wie Gucklöcher aussahen.
Nicht eine schattenhafte Bewegung sah ich dahinter. Weder von Suko noch von einem Untoten.
So schritt ich weiter und änderte dabei die Richtung. Ich lief auf die nächste Ruine zu, einen grauen Bau, der nur noch zur Hälfte stand. Ob er nicht vollendet worden oder ineinander gefallen war, wusste ich nicht. In dieser verdammten Totenstadt hatte der Wahnsinn die Regie übernommen.
Es mussten noch Zombies vorhanden sein, davon ging ich einfach aus - und hatte mich nicht geirrt, denn aus dem Schatten des Hauses vor mir löste sich eine Gestalt mit dem typisch breitbeinigen Gang einer lebenden Leiche.
Ich rechnete damit, dass sie auf mich zulaufen würde, aber sie drehte ab und bewegte sich parallel zur Frontseite des Hauses auf eine Ecke zu.
Warum?
Ich blieb dem Zombie auf der Spur, weil ich davon ausging, dass er einen bestimmten Plan verfolgte.
Plötzlich blieb er stehen.
Ich befand mich ungefähr vier Schritte hinter ihm und schaute direkt gegen seinen Rücken.
Dolch oder Beretta?
Ich wollte mich schon für den Dolch entscheiden, als er
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