0662 - Sturm auf den Todestempel
irgendetwas entdeckt, was uns weiterhelfen könnte?«, fragte ich meinen Freund.
»Nein, nichts. Nur die Richtung stimmt.«
»Also dann.«
Und wieder begann der große Kampf gegen die teuflische Natur. Wir schaufelten einen dunklen Vorhang zur Seite, der nie abreißen wollte. Die Gegend um uns herum lebte. Die zahlreichen Geräusche konnten einem schon Furcht einjagen.
Den Gedanken an einen menschenfressenden Tiger hatte ich längst verdrängt. Dafür dachte ich über eine andere Gefahr nach. Es ging um die zahlreichen Schlangenarten, die im Dschungel zu Hause waren. Viele davon waren giftig. Ein Biss, und der Mensch starb einen qualvollen Tod. Lebensgefahr bestand also immer, aber wir machten weiter. Außerdem waren wir es gewohnt, von Gefahren umgeben zu sein. Nur waren sie bei uns meist dämonischer Natur.
Die hellen Lichtspeere tanzten zackig durch die Finsternis, verfinsterten sich im Unterholz, glitten über Farne hinweg, wischten über gummiartig aussehendes Astwerk, gaben den Gewächsen einen bleichen Glanz oder drangen als lange Lanzen über den dichten Waldboden hinweg, der eine dicke Schicht aus Pflanzen und Moos aufwies.
An den Begriff Zeit dachte ich nicht mehr. Der hörte in dieser Umgebung irgendwann auf zu existieren. Neidlos musste ich anerkennen, dass sich Hiob sicherer durch die Umgebung bewegte. Er war ein Kind dieses Landes, der Dschungel gehörte zu ihm wie der regensaure Wald zu Mitteleuropa.
Das Licht war nicht mehr so weit entfernt. Es blieb als Zeichen für uns. Es war der Wegweiser, dem wir folgten. Der grüne Tunnel musste irgendwann ein Ende haben.
Wir sprachen nicht. Jeder beschäftigte sich mit seinen Gedanken. Nur Hiob ließen wir nicht aus den Augen. Besonders Shao hielt sich immer in seiner Nähe auf.
Das Klettern über umgestürzte Bäume hinweg waren wir ebenfalls gewohnt. Suko tat dies bereits in einer sehr profihaften Manier. Er winkte uns immer wieder zu - und kletterte schließlich mit drei, vier langen Schritten auf einen Hügel oder Felsen, wo er stehen blieb, sich umschaute und mit beiden Händen abwinkte, als ich ihm folgen wollte. Sehr schnell war er wieder bei uns.
Die Kleidung klebte mir so nass am Körper, als wäre ich mit ihr unter die Dusche gegangen. In meinen Ohren vervielfältigte sich das Summen der Insekten. Sie tanzten durch die schmalen Lichtstreifen und klebten am Lampenglas. Oft genug hatte ich es auf meinem Weg durch den Wald schon reinigen müssen.
Suko nickte, als er lächelte. »Es ist klar, Freunde. Wir haben es bald geschafft.«
»Wie weit noch?«
»Der Dschungel tritt gleich zurück. Vor dem Tempel können wir uns besser bewegen.«
»Okay. Wie sieht er aus?«
Suko hob die Schulter. »Genau habe ich das nicht sehen können. Er hat eine kantige Form, ist nicht wie eine Pagode gebaut, aber das würde ich nicht unterschreiben.«
»Hast du die Lichtquelle ebenfalls gesehen?«, wollte Shao wissen.
»Ja und nein.« Er sah, dass wir auf eine Erklärung warteten, und fuhr fort: »Sie ist eigentlich überall. Es gibt ja keine Fenster im Tempel, nur Öffnungen. Ich habe den Eindruck, als würde das Licht aus jeder Öffnung hervorströmen.«
»Licht im Tempel«, murmelte Shao. »Dann ist er besetzt. Fragt sich nur, ob wir Cheng Wu dort allein finden.« Bevor einer von uns etwas sagen konnte, teilte sie uns ihren Entschluss mit. »Ich werde mich dort einmal umsehen, bin gewissermaßen die Vorhut. Ihr kommt nach. Wir werden dann im Innern zusammentreffen.«
»Und weiter?«, fragte ich.
»Wieso?«
»Was hast du vor? Willst du Cheng Wu dazu bringen, schon zu reden? Hast du…?«
»Nur die Lage sondieren«, erwiderte sie lächelnd und zog die Halbmaske über die Augen. Man sollte nicht meinen, wie sehr eine Maske, auch wenn sie das Gesicht nur zur Hälfte bedeckte, einen Menschen veränderte. Shao war für uns das beste Beispiel.
Wie eine Fremde wirkte sie, als sie sich umdrehte, einige Schritte ging und plötzlich nicht mehr zu sehen war. Sie war eingetaucht in das dichte Netzwerk des Dschungels. Ein leises Rascheln noch, dann war auch dieses Geräusch nicht mehr zu hören.
Hiob starrte ihr am längsten nach. »Wer ist sie?«, fragte er mit krächzender Stimme. »Verdammt noch mal, wer ist diese Person?«
»Möglicherweise eine Göttin«, erwiderte Suko, bevor er ihn packte und weiterschleifte.
Ich ging hinter ihnen her und war gespannt darauf, was uns im Tempel erwartete. Gekommen waren wir, um Nadine Berger zu helfen oder um mehr über ihr
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