067 - Der geflügelte Tod
geholfen«, sagte ich. »Seine Augen haben darum gebettelt.«
»Gehen wir. Hier will ich nicht länger bleiben«, brummte Mr. Silver, und ich konnte ihn verstehen. Mir ging es genauso.
***
Da Parthos keine hundert Meter weit gekommen wäre, trug ihn Mr. Silver. Schweigend stapften wir durch den Sand. Unsere Schatten waren kurz, die Hitze mörderisch. Wir hatten Durst, doch Wasser gab es weit und breit keines. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, und ich hätte jede Wette angenommen, daß wir uns alle im Geist mit dem Flugdrachen befaßten. Unglaublich, wie schnell uns dieses Tier ans Herz gewachsen war.
Der Sand war weich, wir sanken tief ein. Dadurch war jeder Schritt beschwerlich. Der Schweiß rann mir in Strömen über die Wirbelsäule, aber niemand von uns ließ auch nur die geringste Klage verlauten, denn wir waren allesamt froh, daß unsere Begegnung mit den Vogelmonstern so glimpflich abgegangen war.
Ein ziemlich elender Haufen waren wir. Blaugeschlagen, zerschunden und zerkratzt vom Hagel, müde, halb verdurstet…
Irgendwann wies Cruv nach vorn. Ich sah einen grünen Gürtel. Vegetation. Dort war die Wüste zu Ende. Dort lebte der Stamm der blonden Hünen.
Angeblich sahen sie aus wie Germanen. Von Cruv wußte ich, daß die Erde und Coor einmal eins gewesen waren. Vor dem großen Knall, der alles veränderte, der zwei Welten schuf, die sich unabhängig voneinander weiterentwickelten.
Coor, das war ein Stück Vergangenheit…
Wenn man sein Ziel vor Augen hat, geht es einem gleich besser, das ist eine erwiesene Tatsache.
Der grüne Streifen, die Vegetation… Das war gleichbedeutend mit kühlem Schatten und - Wasser! Vieles war auf Coor anders als bei uns auf der Erde, aber ohne Wasser konnten auch hier keine Pflanzen gedeihen. Wasser bedeutete Leben.
Unser Leben!
Dort, wo der Sand aufhörte und die Prä-Welt wieder grün wurde, würden wir auch die weiße Wolfsblüte finden, die für Parthos so wichtig war. Sie würde ihn soweit stärken, daß er wieder auf seinen eigenen Beinen stehen konnte.
Aber zwischen uns und diesem herrlichen, verheißungsvollen Grün lag noch eine beachtliche Strecke, und niemand konnte wissen, was für Gefahren selbst in dieser toten Wüste noch auf uns lauerten.
Die Erfahrung hatte uns gelehrt, daß Coor dann am gefährlichsten war, wenn es sich am friedlichsten präsentierte.
Es war erstaunlich, daß Jubilee barfuß über diesen glühenden Sand gehen konnte. Sie sagte, so etwas wie Schuhe hätte sie noch nie besessen.
Es würde einiges auf sie zukommen, wenn sie auf die Erde kam. Erfreuliches und Unerfreuliches. Vicky Bonney und ich würden viel damit zu tun haben, Jubilee beizubringen, wie man auf der Erde lebte und überlebte.
»Wenn wir die Wüste hinter uns haben, werden wir rasten«, sagte Mr. Silver. Er sagte es nicht seinetwegen, sondern wegen uns, denn er sah, daß uns allen die Zunge heraushing.
»Dort werde ich meine Wunden lecken«, sagte Jubilee.
»Mr. Silver wird uns mit seiner Heilmagie helfen«, sagte ich. »Er legt nur die Hand auf, und die Kratzer und Schrammen verschwinden.«
»Kannst du das wirklich?« fragte Jubilee.
»Oja, das klappt ganz gut«, gab Mr. Silver zurück.
»Kannst du vielleicht auch Tote wieder zum Leben erwecken?«
Der Ex-Dämon lachte. »Nein, dazu bin ich leider nicht imstande. Auch ich habe meine Grenzen. Sie sind nur weiter gesteckt als eure.«
»Vielleicht ist es ganz gut, daß du nicht allmächtig bist«, sagte Cruv. »Sonst würde Tony viel weniger auf der Hut sein. Wenn seine Feinde ihn kaputtmachen und du ihn wieder zusammensetzen kannst, riskiert er möglicherweise mal zuviel. Und dann hast du vielleicht gerade einen von deinen schwachen Momenten und kannst ihm nicht helfen…«
»Erstaunlich, worüber du dir den Kopf zerbrichst, Cruv«, sagte ich.
»Dein Wohl liegt mir eben sehr am Herzen.«
»Finde ich großartig.«
»Tja, so bin ich nun mal… Großartig.«
Mr. Silver stöhnte. »Hör auf, Kleiner. Diese Selbstbeweihräucherung ist ja nicht auszuhalten. Warum wartest du nicht, bis dich einer von uns lobt?«
»Außer Tony tut das doch keiner.«
»Reicht das nicht?« fragte Mr. Silver.
»Nein«, antwortete der Gnom, und plötzlich schien er überzuschnappen. Er stieß einen Schrei aus, der eine Zerreißprobe für mein Trommelfell darstellte. Auch Jubilee schrie, aber nicht sympathiehalber. Und mir war trotz der Hitze auf einmal, als würde mich jemand mit Eiswasser übergießen.
Ich griff nach
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