067 - Der Redner
zehn Hefte zu je hundert Formularen für das halbe Jahr. Mr. Gillan ist ein sehr reicher Börsenmakler am Grosvenor Square und hat sein Privat- und Geschäftskonto bei uns.«
Der Redner prüfte das kleine Blatt hoch einmal. Über dem Namen der Bank standen in kleinen Buchstaben die Worte »Konto Thomas L. Gillan«, und in der linken Ecke war der Scheck mit den beiden Buchstaben C. E. gegengezeichnet.
»Wer ist denn C. E.?«
Mr. Baide lächelte schwach.
»Die beiden Buchstaben stehen für die Zahl fünfunddreißigtausend. A bedeutet zum Beispiel eintausend, B zweitausend und so weiter. Das ist ein zur Kontrolle vereinbarter Geheimcode.«
»Wer kennt ihn? Selbstverständlich sind Sie eingeweiht - aber wer sonst noch?«
»Es war nur eine Verabredung zwischen Mr. Gillan und mir selbst. Alle großen Schecks mußten mir vorgelegt werden, damit ich sie prüfen kann. Das Merkwürdige ist aber, daß mir dieser Scheck nicht vorgelegt wurde. Meine Privatsekretärin meinte noch heute morgen, daß ich den Betrug sicher erkannt hätte.«
»Wer ist denn Ihre Privatsekretärin?«
»Ich kann sie ja einmal kommen lassen.«
Mr. Baide drückte auf eine Klingel, und ein paar Sekunden später trat Miss Helen Lyne ein.
Sie war etwas über mittelgroß und sehr schlank. Das dunkle Haar trug sie zurückgekämmt, und die Hornbrille stand ihr vorzüglich. Der Redner hielt sie für etwa vierundzwanzig. Sie sah sehr intelligent und befähigt aus, trat ruhig und selbstbewußt auf und begegnete dem Blick des Detektivs, ohne die geringste Befangenheit zu zeigen.
Mr. Rater begrüßte sie mit einem Kopfnicken.
»Kennen Sie diesen Code?« fragte er dann ohne weitere Einleitung und zeigte auf die beiden großen Buchstaben in der Ecke des Schecks.
Einen Augenblick runzelte sie die Stirn.
»Ach, meinen Sie den Code, den Mr. Gillan für seine Schecks benützt? Ja, der ist mir bekannt.«
Mr. Baide machte ein erstauntes Gesicht.
»Ich habe Ihnen aber doch niemals etwas davon gesagt«, erwiderte er.
Sie lächelte leicht.
»Nein, aber die Sache ist doch so furchtbar einfach, daß ich sehr bald dahinterkam.«
»Der Scheck wurde nicht in Mr. Baides Abwesenheit vorgelegt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe ihn niemals vorher zu sehen bekommen.«
Der Redner stellte noch einige Fragen an sie. Unwillkürlich hatte er den Eindruck, daß sie sich in gewisser Weise über ihn lustig machte, und wurde ärgerlich. Schließlich entließ er sie und wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte. Dann ging er langsam und leise nach und öffnete schnell. Aber die Sekretärin war nicht zu sehen.
»Wann haben Sie diese Dame engagiert?«
Mr. Baide seufzte.
»Sie ist sehr tüchtig, aber ich komme nicht besonders gut mit ihr aus. Vor sechs Monaten wurde sie mir von der Generaldirektion zugewiesen. Ich kann mich allerdings nicht über sie beschweren. Sie ist fleißig und macht öfter Überstunden.«
»Wo bewahren Sie denn Ihre Schlüssel auf?«
Baide führte ihn zu einem Safe, der in die Wand eingelassen war.
»Hier.« Er zeigte auf eine Reihe von ungefähr zwanzig Schlüsseln der verschiedensten Größen, die an Stahlhaken hingen.
»Kann Miss Lyne diesen Safe öffnen?«
»Für gewöhnlich nicht. Ein- oder zweimal habe ich sie geschickt, um einen Schlüssel zu holen. Ich vertraue ihr selbstverständlich in jeder Weise.«
Später vernahm der Redner noch den stellvertretenden Direktor, den Buchhalter und den Kassier, aber am Ende war er ebenso klug wie vorher.
»Der Betrug kann nur von einem Angestellten der Bank begangen worden sein, der Zutritt zu den Büchern hat und auch zu Ihrem Safe«, sagte er zu Mr. Baide, als er ging.
Dieser sah ihn gespannt an, aber wenn er hoffte, daß ihm der Redner seine Ansicht über den Fall mitteilen würde, täuschte er sich sehr.
Mr. Rater ging nach Scotland Yard zurück und teilte seinem Chef alle Einzelheiten mit, die er festgestellt hatte.
»Ach, der Scheck mit Gillans Unterschrift war gefälscht? Das ist merkwürdig. Einen Tag vor der Vorzeigung wurde nämlich Mr. Gillan fälschlicherweise totgesagt. Er sollte bei einem Flugzeugabsturz in Kent getötet worden sein. Aber offenbar handelte es sich um eine Verwechslung.«
Der Redner sah ihn nachdenklich an, schwieg aber.
Als er am nächsten Morgen wieder zur Bank ging, erfuhr er, daß Mr. Baide nicht erschienen war. Der Mann hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten, und es ging ihm anscheinend sehr schlecht.
»Nun, Sie können mir sicher auch behilflich
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