0673 - Die Jagd
anders, sie musste einfach lachen. »Jane, du bist herrlich. Du hast Skrupel, das ist zwar nobel, aber das musst du dir abgewöhnen. Es passt nicht mehr zu uns. Wir müssen unseren Weg gehen, ohne Rücksicht zu nehmen. Würden wir das tun, wären wir vollkommen falsch. Ich kann dir nur diesen einen Rat mit auf den Weg geben. Richte dich danach.«
»Ungern.«
Francine verließ die Treppe. Sie blieb direkt vor Jane Collins stehen. Beide Frauen waren gleich groß. »Einen Ratschlag gebe ich dir, Kindchen. Mach dich nicht unglücklich! Lass dich von mir führen, dann brauchst du keine Furcht mehr vor irgendwelchen Mafia-Killern zu haben. Den Beweis hast du selbst erlebt.«
»Das waren nur zwei, aber Costello wird nicht aufgeben.«
Francine winkte ab. »Und wenn er eine Armee schickt, wir werden mit ihr fertig.«
»Okay.« Für Jane war das Thema vorläufig abgeschlossen. »Was geschieht mit den beiden?«
»Da ich dir entgegenkomme und sie nicht nach draußen in den Schnee lege, bleibt nur eine Möglichkeit. Wir schaffen sie in den kleinen Schuppen, der zum Haus gehört.«
Francine gab keine weiteren Erklärungen ab. Sie bückte sich und kümmerte sich um den Kerl, der vom Garderobenständer verletzt und bewusstlos geschlagen worden war. Die beiden Frauen hoben sie an den Beinen und den Schultern an.
Francine kannte den Weg, deshalb ging sie auch vor. Sie drehte Jane den Rücken zu. An der Treppe gingen sie vorbei. Im Hintergrund des Flurs, wo das Lampenlicht kaum eine Chance hatte, befand sich auch die kleine Tür zum Anbau.
Francine zerrte sie auf. Beide Frauen mussten sich ducken. Aus dem niedrigen Schuppen schlug ihnen eisige Luft entgegen. Hier war es kaum wärmer als draußen, was Jane ebenfalls nicht gefiel.
Sie sagte es auch, als sie den Bewusstlosen neben einem Holzstapel niederlegten und den Geruch des Holzes einatmeten.
»Eine andere Alternative kann ich dir nicht bieten. Es sei denn, du sagst Costello Bescheid, dass er sich die Kerle hier abholen kann. Das würde ich nicht raten.«
»Schon gut, Francine.«
»Brav!«, lobte sie Jane wie eine Mutter ihr Kind. Sie legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Jetzt gehen wir zurück und holen uns den zweiten.«
Auch der Mann an der Tür war noch immer bewusstlos. Er hockte in einer schrägen Haltung und hielt die Augen geschlossen. Auf dem Gesicht war das Blut bereits verkrustet.
Der Mann war schwerer. Beide Frauen atmeten heftiger, und Francine fluchte sogar.
Neben dem anderen legten sie ihn nieder und verließen den Schuppen, dessen Tür Francine abschloss. Das alte Schloss funktionierte, obwohl es schon Rost angesetzt hatte.
»Das Problem wäre erledigt«, erklärte Francine und lächelte siegessicher.
»Meinst du?«
»Ja, davon bin ich überzeugt. Vergiss nie, dass du unter meinem persönlichen Schutz stehst.«
»Pardon, das hatte ich tatsächlich vergessen.«
Jane mochte es nicht, wenn Francine den Arm um ihre Schultern legte, aber sie ließ die Frau gewähren, weil sie keine Unstimmigkeiten aufkommen lassen wollte. Zudem wünschte sie sich das Ende der Nacht herbei. Am anderen Morgen sah alles ganz anders aus, da würde John Sinclair in Arosa eingetroffen sein. Gemeinsam konnten sie konzentriert gegen Logan Costello vorgehen.
Es war das eine Problem, Francine das zweite!
Wie würde sie reagieren, wenn der Geisterjäger plötzlich vor ihr stand? In London war sie mit ihm aneinander geraten, und sie hatten sich nicht eben als Freunde getrennt. Ihr blieb nichts anderes übrig, als in John Sinclair einen Feind zu sehen, und Jane musste es gelingen, den Freund vor Francine zu warnen. Sie glaubte einfach nicht daran, dass er über ihre außergewöhnlichen Kräfte informiert war, sonst hätte er sie bestimmt eingeweiht.
»So nachdenklich?«, fragte die Joy lauernd, als sie den gemütlichen Wohnraum betraten.
»Ja, ich denke nach.«
»Worüber?«
»Über alles…«
Die neue Hexe lächelte. Sie hatte den Mund verzogen, und ihr Lächeln kam Jane Collins unglaubwürdig vor. Sie rechnete fest damit, dass ihr Francine die Worte nicht abnahm.
»Ist was?«
»Nein, nein, ich habe nur nachgedacht, wirklich.« Sie strich durch ihr Haar. Ihr war warm geworden, und Francine schlug vor, den Mantel wieder auszuziehen. »Später können wir dann über anstehende Probleme reden. Wir haben noch viel Zeit.«
Jane ließ sich den Mantel von ihr abnehmen. »Warte hier, ich bringe ihn weg.«
»Danke.«
Francine schleuderte ihn hoch und breitete ihn aus. Sie
Weitere Kostenlose Bücher