0680 - Todeskuß der Schattenhexe
sich irgendwo Spuren abzeichneten.
Sie waren nicht vorhanden.
Das beruhigte mich keineswegs, weil die neuen Kollegen hier unten nicht schliefen.
Das Überwinden der Treppe dauerte nur wenige Sekunden. In der ersten Etage leuchtete ich in einen leeren Gang, danach in den ersten Raum, wo zwei Berber schliefen.
Auch dort, wo wir gefeiert hatten, war alles normal geblieben. Nur nicht da, wo ich mein Lager hatte.
Die Matratze war noch vorhanden, auf ihr aber lagen die weißen, bleichen Knochen so, als wären sie von einem Besen säuberlich zu einem kleinen Haufen zusammengefegt worden.
Ich wusste, zu wem sie gehörten.
Zu Kid, dem Jüngsten aus der Gruppe, der gerade erst zwanzig Jahre alt geworden war.
Die rechte Hand mit der Lampe sank nach unten. Ich hatte plötzlich Blei im Arm, und die Vorwürfe jagten schon jetzt als schlimme Gedanken durch meinen Schädel.
Es war alles umsonst gewesen, ich hatte die Schattenfrau nicht stoppen können.
Verdammt auch…
Mit müden Schritten ging ich zum Fenster. Suko hielt von seinem Wagen aus das Haus unter Kontrolle. Ich gab ihm, das verabredete Zeichen zweimal und zog mich wieder zurück.
Er würde kommen, ich würde ihm alles zeigen - tja und dann? In den Keller gehen, die Hexe jagen, falls sie sich noch hier aufhielt. Eines jedenfalls stand fest: Kein Stadtstreicher sollte hier noch eine Minute länger als nötig hausen. Die Polizei hatte versucht, sie zu einem Quartierwechsel zu überreden. Sie hatten sich geweigert, jetzt aber würden sie gehen müssen.
Ich ging auch nicht nach unten, um Suko zu erwarten, sondern blieb in der ersten Etage bei den Berbern, die schliefen und das Grauen nicht erlebt hatten.
Auch durch Sukos Schritte wurden sie nicht aus dem Schlaf gerissen. Er kam ebenso keuchend an wie ich, fragte nichts, sondern folgte mir in den Raum, wo das bleiche Gebein lag, als wäre es von einem Sandstrahlgebläse bearbeitet worden.
»Das war Kid«, sagte ich leise. »Er starb, als ich unterwegs war. Seine Mörderin hat genau gewusst, wann sie zuschlagen musste.«
»Wieder nur Knochen!«, flüsterte Suko. »Verdammt noch mal, was sollen wir machen?«
»Alarmiere die Kollegen. Sie sollen einen Transporter mitbringen, der die Berber wegschafft.«
»In Untersuchungshaft, nehme ich an.«
»Ja, so ungefähr. Bei uns sind sie sicher. Bestimmt werden sich einige über eine warme Zelle freuen.«
»Das schätze ich auch.«
Suko verschwand. Ich blieb oben, obwohl es mich drängte, in den Keller zu gehen und dort nach der Schattenfrau zu suchen. Sollte sie sich dort nicht aufhalten, konnte einem anderen Mann immer noch das Gleiche passieren wie Kid.
Deshalb blieb ich hier oben.
Eine knappe halbe Stunde später sah alles anders aus. Da wurde das Gebäude an der Frontseite angestrahlt. Zahlreiche Polizisten bewegten sich durch die erste Etage und weckten die Schläfer.
Zwei mussten sich um den Anführer kümmern, der anfing, die Männer zu verprügeln. Bei ihm war nicht klar, ob er betrunken oder nur verschlafen war. Er wurde dicht an mir vorbeigeführt und konnte mich nicht übersehen. Lupo blieb stehen. Er stemmte sich dabei gegen die Griffe der beiden Kollegen. Sie wollten ihn abführen, doch ich winkte ab.
»Hallo, Lupo.«
»Verdammt, Schotte, du hast uns reingelegt.«
»Nein, das nicht. Ich habe euch gerettet, aber für Kid ist jede Rettung zu spät gekommen.«
»Warum hast du nicht gesagt, dass du ein Bulle bist? Scheiße, sonst rieche ich die immer.«
Ich grinste. »Dann musst du dir die Nase putzen.«
Er nickte, lachte, war irgendwie erleichtert, denn er konnte jetzt einen klaren Gedanken fassen.
»Und weiter?«, fragte er. »Was wollt ihr noch alles mit uns anstellen? Es war keiner von uns.«
»Das weiß ich. Ihr werdet euch über die Zellen freuen. Sie bleiben offen, sie sind warm, und ihr könnt mal wieder duschen. Das haben einige von euch nötig, schätze ich.«
Er zwinkerte mir zu. »Positiv denken, wie?«
»So ist es.«
»Sehen wir uns noch mal?«
»Bestimmt.«
»Dann wünsch ich dir nur noch, dass du die verdammte Bestie endlich schnappst.«
»Ich verspreche es dir.«
Lupo ließ sich jetzt bereitwillig abführen. Suko und ich schauten uns im Keller um, wo wir von der Mörderin keine Spur entdeckten. Die Schattenfrau schien sich aufgelöst zu haben. »Und jetzt?«, fragte Suko, als wir in der Kellertür standen.
»Ich werde mal mit einem gewissen Herrn reden, der über dieses Krankenhaus Bescheid wissen muss.«
»Was bringt dir
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