0687 - Sie sind wieder da
waren, das Ziel hatten sie jedoch gemeinsam.
Es lag im Osten, noch in der Weite des Landes, doch von dort hatte sie der Ruf erreicht.
Unterschiedlich sahen sie aus. Es fiel auch auf, dass sich keine Frau unter ihnen befand. Nur Männer hatten den Weg aus den Gräbern gefunden. Jüngere und auch alte Männer mit langen und kurzen Haaren. Mit verschmierten Händen, mit Klauen, die zugriffen, als wollten sie imaginäre Hälse irgendwelcher Opfer umdrehen.
Bleiche Gesichter, leere Augen, das dumpfe Stampfen der Tritte auf dem weichen Boden. Pendelnde Armbewegungen, auch zu vergleichen mit denen der Beine, denn manche der Zombies schleuderten sie bei ihren Schritten vor, als wollten sie diese einfach abschütteln.
Eine kleine Armee des Schreckens hatte die Gräber verlassen, um dem Ruf zu folgen.
Niemand sah ihnen zu, als sie über den Friedhof stolperten. Sie hatten sich gefunden, sie kannten ihr Ziel und würden es auf keinen Fall aus den Augen lassen. Wenn sie zu dicht aufeinander zuliefen, stießen sie sich beim Gehen gegenseitig an.
Da gerieten sie ins Schwanken, da pendelten die Körper, da hatten sie Mühe, auf den Beinen zu bleiben.
Der tumbe Ausdruck ihrer Gesichter verschwand auch nach den ersten Gehversuchen nicht. Es war einfach unmöglich für sie, anders auszusehen. Sie mussten so bleiben, sie konnten nicht denken, nur eben gehorchen, und sie setzten ihren Weg fort.
Der Ruf war da!
Und so wankten sie weiter, stießen sich an, drückten sich gegenseitig vor, halfen sich auch hoch, wenn einer von ihnen gefallen war, und liefen hinein in die einsetzende Dämmerung.
Der Tag hatte sich schon etwas zurückgezogen. Am Himmel lagen noch die letzten Reste der helleren Wolkenberge. Die Dämmerung kam hinzu, sie schob sich vor, denn sie wusste, dass sie durch nichts aufgehalten werden konnte.
Und sie brachte auch die Feuchtigkeit mit, sodass sich an bestimmten Stellen Nebel bilden konnte.
So auch auf dem Friedhof.
Als leichter Druck kroch er darüber hinweg. Er wehte auch gegen die Gruppe der lebenden Leichen, hüllte sie ein.
Auch dieser Friedhof hatte eine kleine Mauer, die den Zombies jedoch keine Mühe bereitete und sie nicht aufhielt. Sie schafften es schon beim ersten Anlauf, sich darüber hinwegzuschieben oder zu rollen, und sie schlugen mit klatschenden oder dumpfen Geräuschen auf der anderen Seite der Mauer auf.
Sie fielen übereinander, sie krochen weg, sie kamen wieder auf die Beine und liefen weiter.
Die lebenden Toten waren diejenigen, die man nicht aufhalten konnte. Ihr Trieb gewann mit jedem Schritt an Stärke. Sie wussten genau, wo sie hinwollten, und es gab nichts, was sie davon würde abhalten können. Da waren sie gnadenlos.
So gingen sie weiter.
Eine schaukelnde, schwankende Masse mit leeren Körpern und leeren Gesichtern. Mit Augen ohne Leben, mit einer Haut wie Teig, mit lappigen, manchmal auch mit Geschwüren bedeckten Lippen, die einen hellen Eiterrand zeigten. Mit Wunden an den Körpern, wo sie von irgendwelchen Waffen verwundet worden waren. Aber mit einer schon grausamen Zielstrebigkeit, die dort hinführte, wo sich in gewissen Abständen am Himmel große starre Vögel zeigten.
Flugzeuge!
Ihr Dröhnen erreichte die Ohren der Zombies, ohne von ihnen richtig gehört zu werden, aber er war wie ein Netz, das sie umschloss und weitertrug. Der Tod ließ sich nicht stoppen.
Er war unterwegs.
Er würde kommen.
Und er würde vernichten!
***
Mir kam es vor wie eine Reise in die Unendlichkeit. Ich wusste, dass unter uns der Atlantik lag, sehen konnte ich ihn nicht. Wir flogen dem Abend entgegen, würden in London bei Anbruch der Dunkelheit landen, und dann wartete dort Stepanic auf Cigam.
Das magische Kunstgeschöpf hatte seinen Platz nicht verlassen. Es hockte neben mir und starrte ins Leere. In all den Stunden hatte ich es nicht geschafft, mich an Cigam zu gewöhnen. Auf eine derartige Reisebegleitung konnte ich gut und gern verzichten, doch er traf keine Anstalten, seinen Platz zu verlassen.
Ab und zu schaute ich in den Gang. Dabei fand ich immer wieder die Bestätigung, dass sich Menschen an Situationen gewöhnen können. Die Passagiere wussten, dass sie nicht aus der Maschine herauskamen, dass ihr Schicksal in den Händen eines anderen oder einer anderen Macht lag, und daran hielten sie sich.
Der Druck war zu spüren.
Wenn die Menschen miteinander sprachen, dann nur mit leisen Stimmen, als hätten sie Furcht davor, dass andere Personen mithören könnten. Sie alle
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