069 - Ein gerissener Kerl
weshalb.
»Ich hätte sehr viel zu sagen.« Seine Stimme klang fest. »Ob Sie wirklich wissen, wie furchtbar schwer es mir wird, nichts zu sagen?«
Er hörte einen kleinen Seufzer. Und jetzt hätte er sie in die Arme nehmen und ihr das eine sagen können, das sie erriet und das sie wußte: daß er sie liebe.
Und doch hätte er gegen seinen Charakter gehandelt, wenn er es getan hätte, gestand sie sich, als er gegangen war. Er hätte sich vor sich selbst geschämt. Es wäre ihm gewesen, als habe er einen unbewachten Augenblick ausgenutzt, als habe er sie in dem Schmerz über den Tod des Vaters arglistig überrumpelt.
Tony speiste nicht daheim. Er kam um Viertel neun nach Hause und wartete auf Elk und dessen herumstrolchenden Freund. Da der Detektiv nicht angerufen hatte, durfte Tony hoffen. Doch es wurde nach neun, ehe Elk den geheimnisvollen Mr. Colburn in Tonys Arbeitszimmer hineinbugsierte.
Er war ein sehr dicker Mann mit einem rosigen Gesicht, einer beträchtlichen Glatze, blauen, starren Augen und einem ingwerfarbenen Schnurr- und Backenbart. Er war ein ziemlich geräuschvoller Herr und sehr freimütig. Er begrüßte Tony als Bruder.
»Schon von Ihnen gehört, Braid«, jubelte er, »Elks Freunde sind meine Freunde. Entschuldigen Sie mich heute abend, aber ich hatte eine freundliche Auseinandersetzung mit einem alten Bekannten — einem Mann von Genie, doch leider ohne Glauben ans Leben oder Hoffnung auf den Himmel!«
Er lachte dumpf in sich hinein und schlug sich mit einem lauten Klaps aufs Knie. Elk blickte Entschuldigung heischend drein. Er fühlte sich verantwortlich. Ohne besonderen Grund, es sei denn, daß er die begrenzten akustischen Verhältnisse des Zimmers erkannte, ließ Mr. Colburn die Stimme sinken.
»Nächste Woche fahre ich nach Afrika, Mr. Braid«, erzählte er. »Ich hätte Sie in jedem Fall aufgesucht, selbst wenn mein lieber alter Freund von der Polente mich nicht hierhergeschleift hätte. Ich kann Ihnen sagen, ich bin in dieses Land mit zwölfhundert Pfund gekommen und hätte jetzt zwölfhundert Pfund minus, wenn mich mein Glück nicht unter sein gastliches Dach geführt hätte.«
Bisweilen sprach er sehr holprig, dann wieder flammte seine Rede dahin. Augenscheinlich bewunderte Elk diese Wandlungsfähigkeit seiner Redekunst.
»Er erzählte mir, Sie interessieren sich für Lulangas.«
Tony nickte. »Allerdings — und seltsamerweise entdeckte ich heute, daß Sie einst der Ingenieur der Gesellschaft waren.«
»Der Gehilfe des Ingenieurs und Leiters«, berichtigte Colburn. »Ich will Ihnen nichts vormachen, Mr. Braid; ich besitze nicht die Würde eines Dr.-Ing. Ich bin nur ein besserer Mechaniker und gar nicht einmal so ein besonders besserer. Ich habe mich nur selbst gebildet, mir selbst alles beigebracht und bin mit mir selbst zufrieden.«
Dies war offenbar sein Leib- und Magenwitz. Elk begann schon zu grinsen, ehe der Satz noch recht begonnen hatte. Dann wurde Colburn wieder nüchtern.
»Ich gehe nach Lulanga zurück. Aber ehe ich abdampfe, will ich mit einem, der ein Paket Aktien hat, einen Handel abschließen. Aber das Paket muß sich lohnen.«
»Was für einen Handel?« fragte Tony voller Teilnahme.
Colburn betrachtete ihn mit forschenden Augen.
»Ich weiß nicht, ob's fair oder nicht fair ist, ich brauche zwanzigtausend Aktien — umsonst. Ich weiß, sie sind zu einem lächerlichen Preis an der Börse zu haben, und mit ein bißchen Glück kann ich zwanzigtausend Stück für tausend Pfund kaufen. Aber ich denke nicht daran, tausend Pfund dafür zu spendieren.«
»Und was bekommt der edle Spender der zwanzigtausend Aktien?« fragte Tony.
Es schien ihm, als lache der andere ausgiebig und mitleidig.
»Öl«, erwiderte er mit einer schönen Geste. »Tausende und vielleicht Millionen Tonnen Öl!«
»Wohl aus Quelle 16 und Quelle 18?« forschte Tony. Doch Colburn lachte vorwurfsvoll.
»Das waren keine Quellen, das waren Nadelstiche ins Ufergelände! Ich höre, man hat auch seitdem gebohrt. Der schwindsüchtige Ingenieur, den sie nach mir angestellt haben, war ein kluger Kerl, aber ein Bücherwurm. Jetzt ist er tot. Gott hab' ihn selig. Er war ein guter Mann, aber ohne Initiative. Solche Leute sterben leicht. Ich würde Sie nicht behelligen, Sir, aber der alte Elk hat 'ne Schwäche für Sie. Er nennt Sie den ›gerissenen Kerl‹.«
»Das ist nicht wahr!« protestierte Elk laut.
»Mensch, lüg doch nicht so unverschämt!« tadelte Colburn und schüttelte traurig den
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