0694 - Lavalles Todesspur
Gerechten?«
»Ja, und dabei bleibe ich«, erklärte der Houngon . »Du hast nie vorsätzlich und bewußt einen Menschen getötet. Du hast getötet, aber nur, um Schaden von anderen abzuwenden. Stimmt das?«
»Das stimmt.«
»Dann sehe ich dich als einen Gerechten an. Dein Kampf gegen das Böse ist gerecht, er ist gottgewollt, John Sinclair, und nur ein Gerechter kann einem Bocor mit einer gewissen Überlebenschance gegenübertreten. So steht es in den Gesetzen. Du bist gerecht, und du bist gereinigt. Du bist vorbereitet, und du hast dein Kreuz. Ob du den Kampf aber gewinnst, kann ich dir nicht sagen. Das steht nicht in meiner Macht. Es liegt allein an dir.«
Ich senkte den Blick. »Das weiß ich.« Ich tauchte wieder unter, ließ nur den Kopf über der Wasserfläche, so daß meine Schultern wie von einem warmen Vorhang bedeckt werden konnten.
Ich fühlte mich wohl, ich merkte das Kribbeln auf meiner Haut und auch das darunter. Die geheimnisvollen Kräuter und Essenzen hatten mich physisch und psychisch in eine bestimmte, sehr extreme Lage hineinversetzt. Ich wollte den Kampf, und ich wollte ihn gewinnen.
Auch Caballo spürte etwas von dieser schon finsteren Entschlossenheit, und er warnte mich.
»Denke nur nicht, daß es einfach sein wird, John. Lavalle ist sehr mächtig, er steht unter dem Schutz der alten Götter, und ich bin nicht sicher, ob er nicht längst Bescheid weiß.«
»Worüber?«
»Daß du ihm auf der Spur bist.«
Ich richtete mich wieder auf. »Woher sollte er das wissen?«
Caballo griff zum Badetuch und hielt es ausgebreitet vor sich. Für mich das Zeichen, daß ich aus der Wanne steigen konnte. »Er spürt es, John, er weiß genau, wenn ihm ein Feind auf den Fersen ist. Er braucht nicht hier zu sein, aber seine Kräfte sind ungeheuer. Sie reichen über weite Strecken hinweg, denn der ist ein Zauberer der finstersten Sorte. Ich bin fest davon überzeugt, daß er schon auf dich wartet und auch entsprechende Fallen gestellt hat. Sei also auf der Hut.«
Ich stieg aus der Wanne. »Keine Sorge, Caballo, das werde ich schon.«
Er legte mir das Badetuch über den Rücken. Es war sehr weich, und der Stoff schmiegte sich an meine Haut.
Ich trocknete mich langsam ab. Hin und wieder berührten meine Hände die Haut, und ich stellte fest, daß sie sich verändert hatte. Sie war viel weicher geworden als sonst.
Caballo ließ mich in Ruhe. Ich trocknete mich ab und ging dorthin, wo meine Kleidung lag. Mein Helfer hatte sie auf dem Boden ausgebreitet. Sehr langsam zog ich mich an.
Es sah aus, als wollte ich dabei jede Sekunde genießen, die mir noch blieb.
Der Houngon hatte ja so recht. Es stand längst nicht fest, daß ich den Kampf gewinnen würde, auch wenn ich ein Reiner war.
Ich hängte mein Kreuz um. Als es auf meiner Brust lag, da merkte ich ein neues, kraftvolles Gefühl, das mich durchströmte, und es war so, als sollte ich im nächsten Moment vom Boden abheben und dem großen Kampf entgegenfliegen.
»Er wird sich nicht mehr mit den kleinen Helfern zufrieden geben«, sagte Caballo, »sondern die mächtigen Geschütze auffahren. Er wird versuchen, die Dämonen der Finsternis aus den Tiefen zu holen und sie dir entgegenschicken.«
»Und du weißt, wo ich ihn finden kann?«
»Ja.«
»Dann sag es jetzt!« forderte ich ihn auf. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich beeilen zu müssen.
Caballo überlegte noch, ob er mir eine Antwort anvertrauen konnte. Jedenfalls kam es mir so vor. Er schaute dorthin, wo sich die Tür befand, hinter der sein kleiner Laden lag. Das Geschäft war vollgestopft mit den Waren, die für die hier lebenden Menschen wichtig waren und sie immer wieder an ihre alte Heimat erinnerten, wenn sie ein entsprechendes Gemüse kauften, bestimmte Getränke, Gewürze oder Obst.
Ich hatte gesehen, daß an der rechten Schmalseite des Verkaufsraumes Regale angebracht worden waren, auf denen zahlreiche Tiegel, Flaschen, Töpfe und Schalen standen, gefüllt mit Pülverchen, Kräutern und Essenzen.
Ich knöpfte mein Hemd zu und stand so, daß ich durch die Tür schräg in den Laden schauen konnte.
Caballo hielt sich noch vor mir auf. Wegen seines Alters ging er zumeist gebückt. Nun hatte er sich aufgerichtet und blickte in seinen Verkaufsraum. Für meinen Geschmack war seine Haltung sogar gespannt.
»Hast du etwas?«
Er winkte ab.
Ich wartete noch immer auf die Antwort auf meine vorletzte Frage. Caballo redete zwar, nur schnitt er ein anderes Thema an. Mit einer kaum
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