0697 - Der Leichenholer
aufgehoben.
Fünf Sekunden standen ihm zur Verfügung, und Suko huschte in die Küche.
Beinahe gelassen nahm er dem Gangster die Handgranate aus der Hand und legte sie auf einen Tisch.
Dann wartete er noch eine Sekunde, bis die Zeit vorüber war und alles wieder normal ablief.
Ich sah Kirk, ich sah seine leeren Hände und hörte seinen irren Schrei, der mir fast das Trommelfell zerrissen hätte, während Suko die Küche bereits wieder verlassen hatte und sich Edna holte, damit die nicht verschwand.
Wir hatten gewonnen.
Kirk brach zusammen. Suko schleuderte die kreischende Frau auf mich zu, die plötzlich still wurde, als ich sie in einen harten Griff nahm, während sich Kirk einfach nicht beruhigen konnte, ohne Unterlass schrie, heulte und tobte.
Irgendwann brach er zusammen und blieb in einer schrägen Lage hängen. Mehr ließ die Handschelle nicht zu.
»Danke«, sagte ich und lächelte Suko zu, der allerdings nur abwinkte.
»Ich glaube, John, das ist es dann hier gewesen. Dieser Maler wird sich wohl nicht mehr zeigen.«
Das glaubte ich auch.
Selbst die Frau hielt den Kopf gesenkt. Hatte sie aufgegeben, oder wusste sie von den neuen Teufeleien ihres Chefs?
Ich jedenfalls wusste noch nichts. Stattdessen ging ich zum Telefon, um die französischen Kollegen anzurufen.
Dabei war ich sicher, dass bald der zweite Akt dieses Dramas beginnen würde…
***
Die braunen Pupillen des Mannes hatten fast dieselbe Farbe wie der Kaffee, der vor ihm in der breiten französischen Tasse schwappte, die er mit beiden Händen umklammert hielt.
Er saß nicht an seinem Schreibtisch im Büro, sondern in der Wohnung, mit dem Gesicht zum Fenster, hinter dessen Scheibe der Tag kümmerlich grau aussah.
Das schöne Wetter hatte nur zwei Tage gehalten, jetzt kehrten Wolken und Regen zurück. Diesen Frühsommer konnte man wirklich abhaken. Das Wetter schlug auch den Menschen aufs Gemüt.
Viele fühlten sich unwohl, hatten Probleme mit dem Kreislauf, andere waren stark erkältet, und wieder eine Gruppe wurde von einer starken Müdigkeit geplagt.
Dazu gehörte auch Barry F. Bracht!
Er fühlte sich ebenfalls unwohl, so seltsam, so abgeschlafft, ohne Mumm und Energie.
Das konnte am Wetter liegen, musste aber nicht, denn diese Müdigkeit war anders. Sie erfasste seinen ganzen Körper, sie stieg aus irgendwelchen Sphären hoch, sie umklammerte seinen Körper, machte ihn träge, aber sie machte auch nicht vor seiner Seele Halt.
Er griff zur Packung, holte eine Zigarette hervor und zündete sie an. Dabei schaute er dem Rauch nach, der Wolken vor das Fenster zeichnete, als wollte er eine andere neblige Welt schaffen. Mit einer Hand fuhr er durch sein dichtes braunes Haar und strich danach automatisch die Härchen auf seinem Oberlippenbart glatt.
Die Wohnung war nicht groß, in der Bracht lebte, aber sie war seine Insel. Hier fühlte er sich wohl, hier war er unbeobachtet, was er von seinem Beruf als Lektor nicht sagen konnte, und in den eigenen vier Wänden stellte er sich seinem Schicksal.
Das war etwas Besonderes.
Barry F. Bracht hatte vor gewisser Zeit feststellen müssen, dass er in zwei Ebenen lebte. Seine andere Existenz war Zebulon, der Schattenkämpfer.
Dieses zweite Leben allerdings führte er auf einer anderen Ebene. Da verwandelte er sich in eine Gestalt mit zwei Flügeln, die eigentlich nur in seinen Träumen entstand. Da war er genau das Gegenteil von seiner ersten Existenz, da machte er Jagd, da überwand er Dimensionsgrenzen, da tauchte er ein in fremde Welten, durchraste sie und ging keinem Kampf aus dem Weg.
Nicht im normalen Leben.
Es gab kaum einen friedlicheren Menschen als eben Barry F. Bracht, den Verlagslektor, aber die zweite Existenz hatte schon Spuren bei ihm hinterlassen.
Zum einen gehörte diese Müdigkeit dazu. Sie trat oft genug immer dann auf, wenn er sich kurz vor einer Verwandlung befand. War es dann so weit, fiel er in einen tiefen Schlaf, und sein Astralkörper löste sich, wurde zu dem zweiten Ich, nämlich Zebulon.
Dann hatte er Aufgaben zu erfüllen, da musste er das Böse stoppen, da wuchs er über sich selbst hinaus.
Er konnte nie direkt sagen, wann ihn diese Verwandlungen überkamen. Das konnte im Verlag sein, aber auch in einem Lokal oder bei sich zu Hause.
So wie jetzt…
Okay, der ständige Wetterwechsel machte müde. Oft wurde er davon überrumpelt, da war dann einfach nichts zu machen, obwohl er sich dagegen anstemmte. Er stand seiner zweiten Existenz ziemlich negativ
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