0698 - Der Ghoul aus dem Gully
nur weg…
Sie hob das rechte Bein an, wollte mit einem Schritt die Dusche verlassen, als es passierte.
Unter ihr riß etwas auf. Sie hörte noch ein scharf klingendes Geräusch, dann sprang plötzlich der Deckel des Abflusses in die Höhe, tickte sogar mit der scharfen Kehrseite gegen ihr Schienbein und hinterließ dort eine Wunde.
In der Bewegung erstarrte sie, hielt sich fest, dann zog sie das Bein wieder zurück und mußte erkennen, daß es ein großer Fehler gewesen war. Es gelang ihr, in den Abfluß zu schauen, und sie sah dort etwas, was sie nicht für möglich gehalten hätte.
Erst jetzt fiel ihr ein, daß sie direkt über einem Gully geparkt hatte.
Aber der war offen, denn zwischen ihm und dem unteren Rand des Wohnwagens befand sich genügend Platz, um dies zulassen zu können.
»Offen, verdammt!« keuchte sie.
Und es drang etwas hervor.
Sie sah eine Woge, eine Masse, die drückte und gleichzeitig einen derartig ekelhaften Gestank abgab, daß ihr übel wurde und gleichzeitig schwindlig.
Für kurze Zeit verlor sie die Übersicht, und das genau war es, was das Wesen gewollt hatte.
Es schnellte aus dem Abfluß hervor. Das heißt, da war plötzlich eine schleimige Klaue mit menschlichen Fingern, die in die Höhe stieß und sofort zupackte.
Sie erwischte Corinnas rechten Fußknöchel. Es war ein Griff und eine Berührung, die sie erstarren ließ. So etwas hatte sie noch nie in ihrem Leben erlebt.
Kalt fühlte sich die Klaue an, aber nicht so kalt wie Eis, mehr wie feuchte Tücher, in die noch Streifen von Gelatine hineingedrückt worden waren, wobei die Klaue jetzt anfing zu wandern und an ihrem Bein hochglitt.
Noch immer bewegte sie sich nicht, irgendwann einmal schaute sie nach unten.
Da hatte die Schleimklaue bereits ihr Knie erreicht, und sie sah hinter dem Gelenk auch einen Teil des Arms. Nicht knochig oder starr, sondern ein widerlich dickes, schleimiges Etwas, das zuckte, das pulsierte, das sich bewegte, das sich streckte, ihren Oberschenkel erreichte und dabei war, auch seine übrigen Teile aus der Öffnung zu pressen.
Es war für sie einfach furchtbar, nicht zu ertragen, das war einzig und allein das Grauen pur…
Ein Kopf erschien.
Er wühlte sich aus dem zerstörten Abfluß hervor. In seiner Form erinnerte er Corinna an einen Kraken, der aus irgendeiner Tiefe gekommen war, um sie zu fressen.
Er kam wieder vor. Ihre Hüfte wurde von zwei Seiten umklammert. Das Schleimzeug klebte dabei auf ihrer Haut, aber es war nicht so glatt, daß es wieder abrutschte.
In seinem Innern steckten Kräfte, die Corinna nicht verstand, der sie außerdem auch nichts entgegenzusetzen hatte.
Das Grauen steigerte sich. Sie konnte nicht atmen, die Luft in der kleinen Kabine war von einem widerlichen Leichengeruch erfüllt, und selbst ein Schrei gelang ihr nicht, weil sie das Gefühl hatte, dieser Gestank würde auch ihren Hals verstopfen.
Es war unmöglich für sie, etwas zu tun. Sie konnte sich nur in ihr Schicksal ergeben.
Das bedeutete Tod!
Für einen Moment dachte sie an die beiden Polizisten im letzten Wagen. Sie suchten einen Killer, aber was da aus der Tiefe gekrochen war, konnte das überhaupt als Killer angesehen werden, oder war es viel, viel schlimmer?
Sie rutschte, sie fiel.
Mit dem Hinterkopf schlug sie noch gegen eine Duschwand. Für einen Moment überdeckte der scharfe Schmerz die Furcht, dann war sie wieder klar - und sah dicht vor sich dieses grauenvolle, schleimige und häßliche Gesicht.
Wie ein mit Schleim gefüllter, aufgepumpter und stinkender Ballon kam er ihr vor.
Corinna riß den Mund auf. Jetzt erst war der Schock vorbei, jetzt konnte sie schreien.
Etwas Weiches, Teigiges, ›rammte‹ zwischen ihre Zähne. Ihr Schrei erstickte in einem dumpfen Geräusch. Auf einmal bekam sie keine Luft mehr. Die Augen hatte sie so weit aufgerissen, daß es sie bereits schmerzte. Da zerplatzte das Gesicht mit dem breiten Mund, es bestand plötzlich nur aus Fetzen, und dann war die Finsternis schlagartig da.
Corinna sackte zusammen.
Und der Ghoul hatte sein erstes Ziel erreicht…
***
Ich schritt durch den Nieselregen!
Ein Vergnügen war es nicht. Es gab keine Stelle, an der es nicht tropfte, selbst unter den Bäumen war es nicht mehr trocken.
Überall tropfte und pitschte es, wenn die hellen Perlen in die Pfützen fielen. Das war einfach ein Wetter zum Weg- aber nicht zum Hinlaufen. Und ich wußte nicht einmal, ob ich mit meinem Spaziergang über den Friedhof Erfolg hatte.
Das Ziel
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