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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war und auch für sie wahrscheinlich bleiben sollte. Sie mußten sich also lagern; ich ließ auch alle Weißen bei ihnen und nahm nur den Neger mit, um ihm so rasch wie möglich die Gelegenheit zu geben, seine Mutter und Bloody-Fox wiederzusehen.
    Wir jagten im Galopp um die gewaltige Kaktusstrecke herum, bis wir an der Ostseite derselben angekommen waren, was, da wir uns im Westen befunden hatten, beinahe eine Stunde dauerte. Wir fanden die Lücke und mußten, um ihr zu folgen, langsamer reiten, bald nach rechts, bald nach links, wie es das Zickzack mit sich brachte. Endlich erblickte ich die grünen, aber vom Sand grau belegten Wipfel der Bäume, und bald darauf das Haus, welches in ihrem Schatten lag. Vor demselben bewegte sich arbeitend eine weibliche Gestalt. Als Bob dieselbe erblickte, trieb er sein Pferd an und schrie:
    „Das sein Mutter Sanna, Mutter Sanna von Masser Bob! Oh – oh – oh! Mutter, Mutter! Sanna, Sanna! Dein Boy kommen! Bob sein da, sein wieder da!“
    Sie drehte sich um, sah ihn und öffnete die Arme. So stand sie da, starr vor Freude, ohne ein Wort sagen zu können. Er hielt sein Pferd bei ihr an, sprang herab und warf die langen Arme jauchzend um sie.
    Sein Schreien war gehört worden; die Tür wurde geöffnet, und heraus trat einer, dem die Wiederkehr des Negers ganz gewiß ein Rätsel war, der aber trotzdem keine Miene verzog und dessen Gesicht nicht das geringste Anzeichen von Überraschung zeigte.
    Er stand still und unbeweglich vor der Tür, das dunkle Auge leuchtend auf Mutter und Sohn gerichtet. Sein langes, dichtes, blauschwarzes Haar war in einen helmartigen Schopf geordnet und hing dann noch weit auf den Rücken herab. Keine Adlerfeder, kein Abzeichen schmückte diese indianische Frisur. Man sah es ihm auch ohne dieses an, daß er kein gemeiner Indianer, kein gewöhnlicher Krieger war. Wer einen Blick auf ihn richtete, der war gewiß sofort überzeugt, einen bedeutenden Mann vor sich zu haben. Er war ganz so in Leder gekleidet wie ich. Um den Hals trug er den köstlich gestickten Medizinbeutel, die außerordentlich künstlich geschnittene Friedenspfeife und eine dreifache Kette von den Krallen und Zähnen der Grizzlybären, die er erlegt hatte. Die Züge seines ernsten, männlichen schönen Gesichts waren fast römisch zu nennen, nur daß die Backenknochen kaum merklich hervorstanden. Die Farbe seiner Haut war ein mattes Hellbraun mit einem leisen Bronzehauch.
    Das war Winnetou, der Häuptling der Apachen, der herrlichste der Indianer. Sein Name lebte in jedem Zelt, in jeder Blockhütte, an jedem Lagerfeuer. Gerecht, treu und klug, tapfer bis zur Verwegenheit, aufrichtig und ohne Falsch, ein Freund und Beschützer aller Hilfsbedürftigen, mochten sie weiß oder rot von Farbe sein, aber ebenso ein Feind und strenger, unerbittlicher Gegner aller Ungerechten, so war er bekannt bei allen, die von ihm gehört oder ihn vielleicht gar gesehen hatten. Welch ein Glück, der Freund dieses Mannes zu sein!
    Bob schrie immer noch auf seine Mutter ein. Sein Entzücken schien sich zu steigern, anstatt sich zu vermindern. Inzwischen war ich langsam näher gekommen, und Winnetou hörte die Schritte meines Pferds. Er drehte sich um und erblickte mich. Auch jetzt blieb sein ehernes Gesicht unbeweglich; keine Wimper zuckte. Aber sein Auge vergrößerte sich und ein leuchtender Glanz inniger Liebe strahlte mir aus demselben entgegen. Ich stieg ab. Wir schlangen die Arme fest, fest umeinander und küßten uns wie Brüder, die einander lange nicht gesehen haben. Dann hielt er meine Hände fest, trat einen halben Schritt zurück, ließ seinen Blick an mir herniederschweifen und sagte:
    „Mein Bruder Shatterhand kommt wie der Tau in den Kelch der dürstenden Blume und wie der Adler, der mit mächtigen Fängen das Nest seiner Jungen beschützt. Du hast droben in den Bergen der Sierra Madre meinen Zettel gefunden?“
    Ich antwortete:
    „Mein Bruder Winnetou ist meinem Herzen ersehnt wie der Sonnenstrahl dem Kranken, und meiner Seele teuer wie das Kind der Mutter, die es geboren hat. Es sind viele Sonnen und Monde vergangen, seit mein Auge dich zum letzten Male erblickte. Ich war oben in der Sierra an der Lebenseiche und habe deine Zeilen gefunden und gelesen. Nun komme ich mit dreihundert Apachen unter Anführung des tapfern Entschar-Ko, um sie deinem Befehl zu übergeben. Ist Bloody-Fox nicht daheim?“
    „Er reitet täglich mehrere Male hinaus, um die Kaktus zu umkreisen und zu sehen, ob du kommst.

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