07 Von fremder Hand
was das Äußere betrifft, aber vom Wesen her schlägt Jack viel mehr nach seiner Mutter. Onkel John war extrem reserviert« - er zog ein langes Gesicht -, »und ich habe mich immer gefragt, wie er und Tante Olivia sich wohl gefunden haben. Wenn wir in den Ferien zusammen waren, hat er nie bei unseren Unternehmungen mitgemacht. Immer hatte er Wichtigeres zu tun.«
»Dann wart ihr also nur zu viert - du und Jack und eure Mütter?«
»Und meine Schwester, die Nervensäge. Und manchmal auch mein Vater, wenn er sich von der Arbeit losreißen konnte.«
»Das klingt traumhaft«, meinte Winnie ein wenig wehmütig; dann sah sie wieder auf die Papiere in ihrer Hand. »Glaubst du, dass Jacks Vater Ahnenforschung und Familiengeschichte für etwas Unseriöses gehalten hat?«
»Für ihn war das wohl eine Verschwendung von kostbarer Zeit. Onkel John hat an jedem einzelnen Tag seines Lebens die Times von der ersten bis zur letzten Seite gelesen.« Als Winnie lachte, fügte er hinzu: »Ich möchte nicht, dass du einen falschen Eindruck bekommst. Mein Onkel war ein guter Mann, er hatte Charakter, und ich bin sicher, dass er sehr angesehen war - obwohl ich als Kind nie über diese Dinge nachgedacht habe. Aber er war nicht der Typ, der im Garten Bühnenbilder aufbaut und bei Aufführungen von Peter Pan mithilft.«
»Aber dein Vater war so ein Typ?«
»Immer zu Abenteuern bereit, mein alter Herr. Und da wir gerade von Abenteuern reden - ich glaube, es wird Zeit, dass ich mal nachsehe, was Jack auf dem Dachboden so anstellt. Kann ich dir noch was bringen?«
Winnie lehnte ab und war bereits wieder in ihre Papiere vertieft, als er das Wohnzimmer verließ.
Während er die Treppe zum ersten Stock hochging, dachte er über seine Familie nach, die für ihn in seiner Kindheit etwas so Selbstverständliches gewesen war. Er hatte angenommen, dass alle Eltern sich dafür interessierten, was ihre Kinder machten, und dass alle Väter am Leben ihrer Kinder teilnahmen.
Einen so kreativen und engagierten Vater zu haben, hatte allerdings auch Nachteile; so hatte sein Dad zuweilen vergessen, sich um so prosaische Dinge wie die Stromrechnung zu kümmern, und Kincaid erinnerte sich an mehr als eine Gelegenheit, als sie bei Kerzenlicht gehaust hatten, bis alles wieder in Ordnung gebracht werden konnte. Zum Glück hatte seine Mutter eine praktische Ader besessen, die seine Tante Olivia, wie er vermutete, nicht geerbt hatte, und sie trug dafür Sorge, dass die meiste Zeit über alles problemlos funktionierte.
Es war schon eine Weile her, dass er zuletzt zu Hause gewesen war; er sollte Kit endlich einmal zu den Großeltern mitnehmen, nachdem der Junge inzwischen genug Zeit gehabt hatte, sich an die Vorstellung zu gewöhnen. Und er würde Gemma und Toby auch fragen. Dann könnten sie zusammen mal länger Urlaub machen.
Jack hatte die Falltreppe am Ende des Flurs heruntergelassen. Das Quietschen der Federn beim Hinaufsteigen rief in Kincaid Erinnerungen an die Stunden wach, die sie als Kinder auf dem weitläufigen, dunklen Dachboden zugebracht hatten.
Als er den Kopf durch die Luke steckte, sah er, dass Jack eine Arbeitslampe an einem Kabel montiert hatte, die den Raum zwischen den grau angelaufenen Fenstern an beiden Enden erhellte.
Jack kniete in Jeans und einem sehr schmutzigen Sweatshirt vor einem Schrankkoffer aus Blech und wühlte darin herum. Er drehte sich nach Kincaid um, wobei er sich mit der Hand über die Stirn wischte und einen großen Schmutzfleck hinterließ. »Das ist ein regelrechter Albtraum hier. Ich kann nichts übergehen, weil ich keine Ahnung habe, was vielleicht wichtig sein könnte.«
Kincaid ging in die Hocke und warf einen Blick in die Truhe. »Großtante Sophies Unterröcke wohl eher nicht.«
»Hatten wir eine Großtante Sophie?«
»Ganz bestimmt.«
Jack grinste, während er das letzte Stück altmodischer Damenunterwäsche ausschüttelte. »Bist du gekommen, um dich nützlich zu machen?«
»Für eine Stunde. Ich habe Faith versprochen, dass ich sie dann vom Café abhole.«
»Warum fängst du nicht einfach da drüben an?« Jack dirigierte ihn zur Ostseite des Dachbodens, gerade außerhalb des Lichtkegels der Lampe.
Ein wenig entmutigt angesichts dessen, was ihm bevorstand, meinte Kincaid: »Haben wir irgendein System, um die Sachen, die schon überprüft sind, von den anderen zu trennen?«
»Da drüben.« Jack zeigte auf eine
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