0702 - Das Stummhaus
mein Kind bei mir bleibt. Ich liebe mein Kind schon jetzt. Ich fühle ja, wie es sich bewegt, also lebt es. Ich will es nicht mehr hergeben."
Sie sank erschöpft in die Kissen zurück und war offensichtlich am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte sich völlig in die Hände der Fremden gegeben.
Vester sah Hart fragend an, dann nickte dieser zustimmend.
Er war damit einverstanden, daß man die Maske endlich fallenließ.
Vester beugte sich vor und strich vorsichtig durch Jasmins Haar.
„Sie können unbesorgt sein, Jasmin, denn wir sind keine Aphiliker. Wir sind Immune, darum halfen wir Ihnen. Und wir werden Ihnen auch weiterhin helfen. Sie sind nur eine halbe Aphilikerin, denn Sie haben Liebe gezeigt, als Sie Ihr Kind behalten wollten. Sie werden es hier bei uns gebären, und dann bringen wir Sie beide in Sicherheit. Glauben Sie, daß wir - Sie, mein Freund und ich - es schaffen?"
„Sie meinen die Geburt? Oja, das schaffen wir, denn ich habe einige Kenntnisse. Ich werde Ihnen sagen, was wir alles brauchen." Sie krümmte sich und stöhnte vor Schmerzen. Dann holte sie tief Luft. „Ich glaube, es ist bald soweit. Stopfen Sie mir etwas in den Mund, damit ich nicht schreien kann."
Vester zögerte, aber Hart gab ihm einen Stoß. Sie nahmen ein Unterhemd, zerrissen es und stapften einen Teil davon in Jasmins Mund. Vorher gaben sie ihr, das schmerzstillende Mittel und ein Schlafpulver. Injektionen hatten sie nicht dabei.
Dann ging alles sehr schnell.
Während Hart die erschöpfte Mutter wusch, halbwegs anzog und ihr abermals Medikamente eingab, kümmerte sich Vester um das Baby, einen kräftigen Jungen. Er hielt es an den Beinen hoch, gab ihm ein paar Klapse aufs Hinterteil und wickelte es schließlich. Dann legte er es neben die Mutter ins Bett.
„Mann, so etwas habe ich auch noch nicht erlebt", sagte er, als er im Badezimmer unter der Dusche stand. „Aber es scheint ja alles gutgegangen zu sein."
„Sieht so aus, zumindest geht es dem Kind gut."
„Der Mutter nicht?"
„Sie schläft jetzt, Vester, aber ich mache mir Sorgen. Sie hat viel Blut verloren und ist völlig entkräftet. Bei mangelnder Pflege wird sie es nicht durchstehen."
„Das Kind wird ihr Mut und Kraft geben."
„Hoffen wir es."
Vester kam aus dem Badezimmer zurück.
„Einer von uns muß auf dem Boden schlafen."
Hart betrachtete ihn forschend.
„Ich würde dir raten, die Maske wieder abzulegen. Sie nützt uns jetzt nichts mehr. Wir verschieben den Plan um einige Tage. Auf keinen Fall können wir Jasmin jetzt allein lassen."
„Na, von mir aus. Hoffentlich fällt uns etwas Besseres ein.
Im Notfall versuche ich es eben noch einmal."
Sie wachten abwechselnd, so daß niemand auf dem Boden schlafen mußte. Jasmin konnte ihrem Baby nur wenig Milch geben, aber am anderen Tag würde man schon etwas kaufen können, das auch Babys vertrugen, selbst wenn es keine richtige Milch war.
Als der Morgen endlich graute, atmete Jasmin ruhiger und gleichmäßiger.
Das Baby schlief.
Alles schien gut zu werden, wenn es auch noch keine endgültige Lösung für das Problem gab.
4.
Kervin und Kathleen wachten auf, als der Transporter anhielt.
Der eine Fahrer ließ die Trennscheibe herunter und meinte: „Terence! Endstation, meine Herrschaften. Sie können aussteigen."
Kathleen rieb sich die Augen.
Draußen dämmerte der neue Tag.
Sie kroch aus den Decken, nachdem Kervin aufgestanden war.
Terence war nur eine kleine Dorfsiedlung mit wenigen hundert Einwohnern. Die Leute lebten hier von allen möglichen Dingen, darunter auch von Viehzucht und Landwirtschaft. Außerdem gab es eine Instandsetzungswerkstatt für Arbeitsroboter.
„Danke", sagte Kathleen zu dem Fahrer und kletterte aus der Kabine.
Dann half sie Kervin ins Freie. Der Transporter fuhr weiter.
„Das ist also Terence?" wunderte sich Kervin und betrachtete die kleinen, wohnlich aussehenden Häuser, die rechts und links neben der Hauptstraße standen. „Sieht ja anheimelnd aus."
Der Eindruck täuscht", erklärte Kathleen. „Die Menschen sind hier nicht anders als in Melbourne. Sie haben die Häuser nur einfach übernommen und nichts an ihnen geändert - das ist alles.
Aber ich kenne hier jemanden. Er verkauft richtiges Fleisch und auch Gemüse. Bei ihm werden wir uns eindecken und dann weiterwandern."
„Du meinst, man wird uns keine Fragen stellen?"
„Ich hoffe es nicht."
Da es noch sehr früh war, gingen sie ein Stück in die Felder und betrachteten den Sonnenaufgang.. Es war
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