0702 - Das Stummhaus
erschöpft und verzweifelt. Ihr war jetzt alles egal, wenn nur diese Schmerzen endlich aufhörten. „Seht ihr denn nicht ?"
Mehr sagte sie nicht.
Es wurde schwarz vor ihren Augen, und dann brach sie bewußtlos zusammen. Sie spürte nicht mehr, wie sie Sekunden später aufgehoben und davongetragen wurde.
*
„Das hat uns gerade noch gefehlt!" Vester und Hart betrachteten die sich vor Schmerzen krümmende junge Frau und kamen sich wie hilflose Kinder vor. Vester, nun ein alter Mann, hatte sich den Einweisungsschein für Stummhaus Nr. 23 besorgt und würde sich morgen dort melden müssen. Nun war das mit der Schwangeren dazwischengekommen.
Sie hatten sie auf der Straße zusammenbrechen sehen, und trotz der damit verbundenen Gefahr waren sie ihr zu Hilfe geeilt.
Anstandslos hatte der Portier sie passieren lassen. Ein Robot kannte wahrscheinlich den Unterschied zwischen einer Schwangeren und einem Freudenmädchen nicht.
„Menschenskind, was machen wir nun?" Vester schlug sich gegen die Stirn. „Die bekommt ein Kind!"
„Das gibt es", bemerkte Hart trocken und untersuchte Jasmin.
„Sie wird gleich zu sich kommen. Eigentlich müßte sie längst in einer der Wärmekapseln sein.
„Vielleicht wollte sie nicht?" vermutete Vester.
„Ja, das ist anzunehmen. Aber wenn es so ist, ist sie keine absolute Aphilikerin. Wir werden das herausfinden müssen, denn es gehört mit zu unseren Aufgaben."
Es war sogar eine der Hauptaufgaben der OGN, die Immunen und Halbaphiliker zu finden und in Sicherheit zu bringen.
Das geschah oft unter extremen Bedingungen und in Verbindung mit ständiger Lebensgefahr. Die Immunen, die keinen Kontakt zur Organisation besaßen, lebten mitten unter den gefühlskalten Menschen und mußten sich tarnen, um nicht entdeckt zu werden. Das macht ihr Auffinden noch schwieriger.
„Was wird sie denken, wenn sie mich sieht?" fragte Vester besorgt.
Hart betrachtete ihn und mußte grinsen.
„Ich glaube, darum solltest du dir jetzt keine Sorgen machen.
Sie wird andere Dinge im Kopf haben, als mit uns zu flirten. Hast du schon mal bei einer Geburt geholfen?"
Vester strich sich durch die grauen Strähnen.
„Ehrlich gesagt - nein. Wie geht das vor sich?"
„Wie in Urzeiten, wenigstens diesmal. Medikamente gibt es keine für einen solchen Fall, denn alle Kinder werden in diesen verfluchten Brutanstalten zur Welt gebracht. Aber wir haben heißes Wasser. Das braucht man dazu. Und in unserer Ausrüstung befindet sich wenigstens ein schmerzstillendes Arzneimittel. Damit müssen wir auskommen."
„Wir sollten sie in die nächste Krankenstation bringen, damit ihr nichts passiert..."
Hart fuhr ihn an: „Bist du verrückt geworden? Dann hätten sie uns, und zwar endgültig. Nein, wir müssen die Sache jetzt durchstehen, und wenn unser ganzer Plan zum Teufel geht. Aber das geht er nicht.
Du meldest dich eben einen Tag später."
„Das geht auch nicht, Hart. Morgen soll sich der Alte im Stummhaus melden. Wenn er nicht aufkreuzt, wird man ihn in seiner Wohnung suchen und finden. Man wird das Medikament feststellen und Verdacht schöpfen. Ich kann mich dann nicht mehr in dieser Maske sehen lassen."
„Dann machen wir es eben anders, Vester. Mensch, nimm dich doch zusammen! Sieh dir doch die junge Frau an! Willst du sie opfern?"
Vester zuckte die Achseln.
„Verdammt, nein! Aber ich will auch herausfinden, was in den Stummhäusern mit den Alten geschieht. Schließlich sind wir deshalb hier, nicht um Hebamme zu spielen."
Die Schwangere warf sich auf die andere Seite, dann auf den Rücken. Sie stöhnte, und als sie schreien wollte, hielt Hart ihr den Mund zu.
„Seien Sie ruhig, bitte! Sie bringen sonst uns, sich selbst und auch Ihr Kind in Gefahr. Wir geben Ihnen jetzt ein schmerzstillendes Mittel, danach werden Sie schlafen können."
Sie schlug die Augen auf und starrte die beiden jetzt so ungleichen Männer an.
„Wo bin ich?" fragte sie.
„In Sicherheit. In einem Hotel. Wir sahen, wie Sie ohnmächtig wurden und brachten Sie hierher. Niemand hat uns gesehen.
Wer sind Sie?"
„Warum halfen Sie mir? Es ist zumindest ungewöhnlich."
„Gegenfrage!" sagte Hart kühl, aber freundlich. „Warum sind Sie auf der Flucht, und warum wollten Sie Ihr Kind nicht nach Vorschrift in der Wärmekapsel zur Welt bringen?"
Sie starrte ihn hilflos und voller Furcht an, dann entspannten sich ihre Züge.
„Ich heiße Jasmin Greender. Mein Kind... ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen... ich wollte, daß
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