0706 - Das Galgen-Trio
erschreckte.
Dann drehte sie plötzlich durch, schrie, brüllte, wurde hysterisch in ihrem Schmerz und rannte auf die große Tür des Weinkellers zu. Sie setzte so viel Kraft ein, daß sie die Tür beim ersten Versuch schon aufreißen könnte.
Ich war noch hinter ihr, sah, daß Christina in den Keller hineinstolperte, und hörte sie schreien.
Anders als zuvor.
Voller Panik und schrill.
Ich rechnete mit dem Schlimmsten, als ich ihr mit langen Schritten nacheilte.
Und plötzlich war der Zombie da. Er huschte aus dem offenen Türspalt, er war ungemein schnell, trotz seiner kurzen Beine und der langen Waffe, die er in der Hand hielt.
Als ich meine Beretta hervorholte, schleuderte er den ›Speer‹ auf mich zu.
Ich duckte mich, hatte das Pech, auf einem aus dem Boden ragenden Stein auszurutschen, fiel, und die Waffe flog über mich hinweg. Als sie aufprallte, klirrte es.
Er sprang hoch.
Wie ein Gummiball mit zwei Beinen kam mir der Untote vor. Gegenüber befand sich eine Mauer.
Deren Krone erreichte er und warf sich mit einem Satz vor.
Knorriges, aber dicht bewachsenes Gebüsch fing ihn auf und schluckte ihn. Ihm eine Kugel hinterherzuschießen, wäre Munitionsverschwendung gewesen.
Nach wenigen Sekunden waren auch die Geräusche verstummt, die seine Flucht begleiteten.
Ich dachte an Christina und drehte mich um. Mit einem heftigen Ruck zerrte ich das Tor bis zum Anschlag auf. Jetzt fiel ein breiter Lichtstreifen in den Weinkeller. Er reichte aus, um alles sehen zu können, was sich im vorderen Bereich abspielte.
Eigentlich war schon alles vorbei.
Christina stand neben einem Toten. Sie hatte den rechten Arm erhoben, die Hand zur Faust geballt und sah so aus, als wollte sie dem Butler auf den Kopf schlagen.
Das konnte sie sich sparen.
Der Mann war tot.
Durchbohrt worden von diesem zweckentfremdeten Speer, der ihn zweimal erwischt hatte. Aus den Wunden sickerten noch immer Blutbäche.
Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, als wäre alles nicht wahr gewesen.
Diese Erkenntnis der Gewalt ging auch an mir nicht spurlos vorbei. Es war einfach Irrsinn, es war nicht zu fassen, zu grauenhaft. Es kam mir vor, als wäre hier ein besonders schrecklicher Film gedreht worden, der sogar noch eine musikalische Untermalung bekommen hatte, denn aus dem Ort hallten die Klänge einer Gitarre zu mir hoch. Es war eine schwermütige, traurige Melodie und passend zu diesen furchtbaren Ereignissen, die uns überrollt hatten.
»Christina…«
Ich rief sie an, aber sie reagierte nicht. Erst als ich den Ruf wiederholte, drehte sie sich sehr langsam um und ließ den Stein fallen, den sie in der rechten Hand gehalten hatte. Als er zu Boden klatschte, schaute sie ihm nach, hob die Schultern und sagte mit leiser Stimme. »Er war schon tot. Bei Gott, er war schon tot.«
Weinend fiel sie in meine Arme.
Auch an meinen Nerven zerrte dieser furchtbare Fall. Ich war praktisch vom Himmel in die Hölle gekommen. Man hatte mich hineingeworfen, ich erlebte das Grauen pur, ich wollte einfach nicht mehr weiter darüber nachdenken.
Christina war in diesem Moment wie eine Puppe. Ich drückte sie zur Seite, und sie ließ alles mit sich geschehen. Erst jetzt fiel mir auf, daß sie keine Schuhe trug.
Wir gingen den Weg zurück und blieben dabei im Schatten. Christina weinte leise. Ihr Gesicht war naß. Hin und wieder schluchzte sie auf. Wahrscheinlich dachte sie auch an ihre Großmutter. Sie würde die Frau sehen, wenn wir das Haus betraten. Zuvor wollte ich sie noch mit behutsamen Worten auf den Schock vorbereiten.
Es mußte ja weitergehen. Die Zombies durften nicht länger existieren.
Claus von Aragon hatte mir den Auftrag gegeben, sie zu vernichten. Er hatte damit sein eigenes Spiel in Gang gesetzt. Für mich ging es nicht mehr um ihn, dieser Fall war von nun zu meiner persönlichen Sache geworden.
Die folgende Nacht würde die Entscheidung bringen!
***
Nikotingelbe Finger hielten die Zigarette, die zur Hälfte aufgeraucht worden war. Das durch Falten und Runzeln gezeichnete Gesicht des alten Mannes verschwand hinter einem Vorhang aus Rauch, aus dem ein dunkler Hut hervorschaute, den der Mann auf seinem Kopf trug.
Wir hockten ihm gegenüber und sprachen zunächst einmal nichts. Es war kühl im Haus der Romeros. Christina hatte sich nicht davon abhalten lassen, mir zu helfen. Wir beide hatten die Großmutter in ihr Zimmer getragen und auf das Bett gelegt. Die Wunde an der Kehle hatte ich zuvor mit einem Handtuch umwickelt.
Die
Weitere Kostenlose Bücher