0709 - Stahlfestung Titan
Laren hatten ihm einen wirksamen Schutz gegen Leticrons PSI-Fähigkeiten gegeben. Als Handlungsahner hätte der Erste Hetran zumindest spüren müssen, was der Flüchtling im Augenblick vorhatte - aber nicht einmal das gelang ihm.
Er verbannte Tekener erneut aus seinen Gedanken, denn er ahnte, daß die Laren ihn mit diesem Problem beschäftigen wollten. Tekener konnte Leticron nicht gefährlich werden. Wenn er noch am Leben war, befand er sich irgendwo in entlegenen Sektionen der stählernen Festung.
Leticron schickte die Roboter aus dem Hof und befahl ihnen, alles aus ihren Positroniken zu löschen, was mit ihrem letzten Auftrag zusammenhing. Er wollte vermeiden, daß außer ihm noch jemand von dem PEW-Metall in einer der sieben Säulen erfuhr.
Leticron überlegte, was er mit den beiden Cyborgs und den Bewußtseinsinhalten tun sollte. Es wäre am klügsten gewesen, sie auf der Stelle zu vernichten. Allerdings bestand die Möglichkeit, daß er sie noch einmal benötigen würde.
Solange sie im Labor gefangen waren, bedeuteten sie keine Gefahr für ihn.
Leticron sehnte eine Ruhepause herbei. Die letzten Stunden hatten ihm große Anstrengungen gebracht. Trotz aller Vorurteile durfte er Maylpancer nicht unterschätzen, sondern mußte ausgeruht in das Duell mit dem Obskoner gehen.
Er entschloß sich, bis unmittelbar vor Beginn des Kampfes zu schlafen. Sobald er Maylpancer getötet hatte, würde er sich um die anderen Gefangenen kümmern. Wegen der Cyborgs machte er sich keine Gedanken. Anders sah es jedoch mit den Bewußtseinsinhalten aus. Leticron hatte schon oft überlegt, wie er sich die Fähigkeiten dieser seltsamen Existenzformen aneignen konnte, ohne gleichzeitig den Ballast der dazugehörigen Persönlichkeiten in sich aufzunehmen.
Vielleicht hatte er eine Idee, wenn er ausgeruhter war.
Er zog sich in eines seiner geheimen Zimmer zurück. Bevor er einschlief, stellte er noch einmal Kontakt zu den Cyborgs her. Er spürte die Verzweiflung der Gefangenen. Sie waren ratlos.
Je länger er in Freiheit war, desto mißtrauischer wurde Tekener.
Er wußte genau, daß Leticron Handlungsahner war und als solcher herausfinden konnte, was Gegner, die ihm bekannt waren, vorhatten. Sicher ließ sich auf diese Weise nicht der genaue Standort eines Feindes ermitteln, aber der Erste Hetran mußte aufgrund seiner Kenntnisse, die er von den Räumlichkeiten der Stahlfestung Titan besaß, doch in der Lage sein, den ungefähren Aufenthaltsort des Flüchtlings zu bestimmen und alle Suchaktionen dort zu konzentrieren.
Aber Leticron schien nicht daran zu denken.
Tekener blieb stehen. Er befand sich noch immer tief unter der eigentlichen Festung, in unmittelbarer Nähe zweier schwerer Reaktoren, die die Haupträume mit Energie versorgten.
Seine Flucht, die unter so merkwürdigen Umständen begonnen hatte, erschien ihm immer rätselhafter.
Die Laren hatten ihn freigelassen, offenbar deshalb, weil sie Differenzen mit Leticron hatten. Welche Rolle sollte er dabei spielen? Stand er etwa noch immer unter larischem Schutz?
Tekener wurde den Verdacht nicht los, daß irgend jemand jeden seiner Schritte genau verfolgte, um sofort eingreifen zu können, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.
Diese Abhängigkeit von Mächten, die dazu noch unsichtbar blieben, war alles andere als nach Tekeners Geschmack.
Er überlegte ernsthaft, ob er sich nicht jenen, die ihn verfolgten, stellen und damit Sand in das Getriebe jener bringen sollte, die ihn mitleidlos für ihre Zwecke benutzten.
Tekener hörte einen klagenden Ruf und zuckte zusammen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die nähere Umgebung.
Unmittelbar vor ihm reichten die Stahlmauern des Reaktors bis unter die Decke. Tekener selbst befand sich auf einem Rundsteg, der in halber Höhe um den Reaktorturm führte. Ein paar Meter von ihm entfernt befand sich eine Brücke, über die man auf ein Podest gelangen konnte, das wiederum Ausgangspunkt von drei Gängen war. Der mittlere Gang war fast zehn Meter breit und mit bunten Platten ausgelegt. Unmittelbar neben dem Eingang stand ein kleiner Prallgleiter, der wahrscheinlich von Technikern benutzt wurde, die ab und zu hierher kamen.
Tekener war sicher, daß der klagende Laut aus einem der beiden schmalen, in völliger Dunkelheit liegenden Gänge gekommen war. Je länger er jedoch nachdachte, desto unsicherer wurde er, ob er überhaupt ein Geräusch gehört hatte, das von einem lebenden Wesen herrührte.
Tekener überquerte die Brücke.
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