0710 - Der Freund des Satans
Seelenschwert, und sie müssen wir in unsere Rechnung mit einbeziehen.«
Shao erwiderte nichts. Da kein anderer Vorschlag kam, schien sie damit einverstanden zu sein.
»Wenn ich zurückkehre, werde ich euch hier wohl nicht mehr vorfinden.«
»Damit kannst du rechnen.«
Sie überlegte einen Moment. »Ich hoffe nur, daß wir alle keinen Fehler begehen.«
»Das wird sich hinterher herausstellen.«
Die Chinesin wandte sich scharf ab. Das weiche Leder bewegte sich auf ihrer Haut, als sie auf Suko zuging und sich zu dem Kind hinabbeugte.
Er schaute sie an.
Ich sah, daß Shao weinte, als sie ihre Handflächen streichelnd über die Wangen des Kindes gleiten ließ. Einige Male schluckte sie, flüsterte etwas und drehte sich dann um.
Mir war dieser Abschied ebenfalls unter die Haut gegangen. In meiner Kehle steckte ein Kloß. Nur mühsam kam ich hoch und ging Shao nach, die mittlerweile den schmalen Flur erreicht hatte. Die Nachwirkungen des brutalen Treffers spürte ich noch immer, was sich auch in meinen Bewegungen ausdrückte, denn ich ging leicht gekrümmt.
Ich betrat den Flur, wollte Shao ansprechen, aber sie war bereits verschwunden.
Es hatte auch keinen Sinn, nach ihr rufen zu wollen. Sie würde und wollte mich nicht hören, denn sie hatte sich zu einem anderen Weg entschlossen.
Ich ging wieder zurück in den Wohnraum, wo Suko auf der Couch saß und auf mich gewartet hatte.
Er wirkte so schrecklich einsam und verloren, wie er dahockte. Das Sitzmöbel war viel zu wuchtig für ihn, und er schaute mich aus großen Augen an.
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich setzte mich hin, rauchte wieder, obwohl ich es eigentlich nicht vorhatte, dachte daran, einen Whisky zu trinken, was ich aber bleiben ließ, denn wichtige Dinge standen bevor, für die ich einen klaren Kopf brauchte.
»Es wird alles wieder gut werden, Suko«, flüsterte ich. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir werden den Weg allein gehen und dich wieder zurückholen.«
Er runzelte die Stirn und sah so aus, als hätte er mich nicht richtig begriffen.
»Was willst du denn tun?« fragte er dann. »Ich… ich fühle, daß ich ein anderer bin. Daß irgend etwas von mir fortgeschwemmt wurde, daß alles nicht mehr so ist wie sonst. Ich… ich kann nicht dagegen angehen, obwohl ich es will. Ich bestehe aus zwei verschiedenen Existenzen. Ich bin ein Kind und trotzdem erwachsen.«
Daß Suko es so sah, darüber war ich froh. Er stellte sich den Problemen und drehte nicht durch.
Deshalb hoffte ich, daß er auch in Zukunft die Nerven bewahren würde.
»Wir werden alles wieder in Ordnung bringen, Suko, aber dafür brauche ich deine Hilfe.«
»Ich kann doch nichts tun.« Er hob die Schultern und schaute danach auf den Stab, den er zwischen seinen Fingern drehte wie einen fremden Gegenstand.
»Doch, Partner, du kannst etwas tun! Du wirst dich gegen dein Schicksal stemmen. Du wirst mir Informationen geben. Du wirst dich auch möglicherweise erinnern.«
»Woran denn?«
»An all die schlimmen Dinge, die sich ereignet haben. An die Macht der Hölle, die dich umklammert hält. Sie wird vom Teufel geleitet. Sie ist das Böse, was aus dir herausgetrieben werden muß. Kannst du das denn nicht begreifen?«
»Ja, ja aber ich weiß nicht, wie es dazu kam. Meine Erinnerung ist verblaßt. Ich fühle wohl, daß da etwas gewesen ist, aber ich kann es nicht genau erklären.«
»Dann versuchen wir gemeinsam, es aufzuklären. Wir beide bringen Licht in die Sache. Ich verspreche dir, daß ich auf deiner Seite stehen werde. Wir werden zu dem Gegenstand gehen, mit dem alles begonnen hat. Wir müssen uns einfach näher mit der Truhe beschäftigen, die gleichzeitig ein Sarg gewesen ist.«
Suko schaute mich befremdet an. »Ja«, sagte er, »da war etwas. Ich erinnere mich, aber es liegt einfach zu weit zurück, verstehst du? Zu weit…«
»Wenn du da bist, wirst du dich wieder erinnern.«
»Ich weiß nicht.«
Wie ich es bei jedem normalen Kind getan hätte, streckte ich ihm meine Hand entgegen, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Er kam sehr langsam in die Höhe, schaute mich an, dann glitt sein Blick durch den Raum, als wäre das Zimmer für ihn vollkommen fremd.
Oder nahm er Abschied?
Als ich über diesen vertrackten Zustand nachdachte, bekam ich eine Gänsehaut.
Ich schluckte meine Nervosität hinunter. Suko sollte auf keinen Fall merken, daß ich nicht so souverän war, wie ich mich gab. Er würde Probleme geben, und es würde fraglich sein, ob es
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