0712 - Satan von Kaschmir
Soldaten auf ihn aufmerksam geworden?
Doch die beiden Fallschirmjäger an der Straßenecke stocherten nur in ihren Zähnen und gafften einem ungläubigen Hindu-Mädchen hinterher, das noch nicht einmal verschleiert war.
Nicole Duval verbarg ihr Gesicht zwar ebenfalls nicht unter einem Shador, doch Ali hatte trotzdem einen Narren an ihr gefressen. Nicht nur, weil er für den Rest der Nacht sehr unruhig von ihr geträumt hatte…
Dieser Traum erschreckte ihn, aber er war besser als die früheren Albträume!
Unmerklich gerieten seine Glaubenssätze ins Wanken. Immerhin hatte er an jenem Morgen sein Gebet absolviert, auf dem Teppich des Hausboots, nach Mekka ausgerichtet.
Gut gelaunt ließ Ali das Honigglas in seiner tiefen Manteltasche verschwinden. Er freute sich schon auf den Moment, wenn er es Nicole überreichen würde.
Wenn da nur nicht das Gefühl gewesen wäre, verfolgt zu werden.
Immer wieder schaute Ali nervös über seine Schulter. Hatten sich vielleicht seine ehemaligen Kameraden, die Mujahedin, auf seine Fährte gesetzt, weil sie ihn immer noch für einen Verräter hielten, weil es ihm bislang nicht gelungen war, seine Unschuld zu beweisen?
Plötzlich war er fast froh über die zahlreichen indischen Militärpatrouillen, die tagsüber ganz Srinagar in Schach hielten.
Denn Ali wollte nicht sterben. Nicht durch die Waffen der Mujahedin. Und schon gar nicht durch die unheimlichen Kräfte jenes Kriegerdämonen, der in der letzten Nacht das Hausboot attackiert hatte.
Der Junge konnte es kaum erwarten, bis Zamorra dieser Ausgeburt der Unterwelt den Rest geben würde.
Ali tauchte in die Menschenmengen des Bazars südlich der Gupkar Road ein. Zum Leidwesen der Händler kauften hier fast nur Einheimische, die nicht viel Geld hatten. Der Bürgerkrieg schreckte sowohl die indischen als auch die ausländischen Touristen ab.
Ali kaufte Lederschläuche für Trinkwasser, getrocknetes Schafsfleisch, gedörrte Mangos und andere Lebensmittel für die Gebirgstour. Packtaschen würde er zusammen mit den Ponys leihen können.
Als echter Kaschmiri feilschte der Junge natürlich gnadenlos mit den Verkäufern. Bald hatte er alle Besorgungen erledigt.
Ali wollte sich mit Zamorra und Nicole an der Uferpromenade treffen. Doch er beschloss, dass bis dahin noch reichlich Zeit war.
Der Junge ging in ein Teehaus, das zur Straße hin halb offen war.
Er bestellte sich einen Tee, der nach Landessitte mit Milch und viel Zucker serviert wurde.
»Ist hier noch frei?«
Ali blickte von seinem Teebecher auf. Eine überwältigend schöne Frau stand vor ihm.
Die Unbekannte trug einen kostbaren Sari aus roter Seide. Sie war nicht verschleiert, und das Kastenzeichen auf der Stirn wies sie als Hindu aus.
Seit er Zamorra und Nicole kennen gelernt hatte, war Ali dabei, seine anerzogene Abneigung gegen »Ungläubige« zu überwinden. Daher nickte et der Frau zu.
Sie setzte sich charmant lächelnd an Alis Tisch. Und das, obwohl das Teehaus an diesem Vormittag halb leer war.
Der Junge bemerkte, dass die Frau ihn nicht aus den Augen ließ. Das machte ihn zunehmend nervös. Der Kellner brachte ihr ebenfalls einen Becher Tee.
Als der Mann mit dem Tablett wieder verschwunden war, begann die Schöne ein Gespräch.
»Du hast viel eingekauft, junger Mann.«
Sie deutete auf die Pakete und Tüten, die neben Ali auf der Sitzbank lagen.
»Jaaaa…«, dehnte der Junge. Er fühlte sich zunehmend unbehaglich. Einerseits machte ihn die Schönheit der Fremden nervös. Andererseits fragte er sich, was sie von ihm wollte.
»Bist du der Diener dieser Touristen?«
»Ich diene niemandem!«, erwiderte Ali stolz. »Zamorra und Nicole sind meine Freunde!«
Erst, nachdem er geantwortet hatte, fiel ihm ein, dass die Frau ihn beobachtet haben musste. Woher konnte sie sonst wissen, dass er für Zamorra und Nicole eingekauft hatte?
Es war, als würde die Schöne im Sari seine Gedanken lesen.
»Ich habe gesehen, dass du mit den Touristen auf dem Hausboot im Dal-See lebst.«
»Stimmt«, erwiderte Ali aggressiv. »Und?«
Es wurde ihm allmählich unheimlich, wie viel die Frau über ihn wusste. Doch die Unbekannte lächelte ihn entschuldigend und gleichzeitig betörend an.
»Du musst mich für sehr neugierig halten. Doch es gibt da etwas, das ich unbedingt haben will.«
»Was ist das?«
Nun war es Ali, der gespannt nachfragte.
»Das Amulett des Fremden!«
Der Junge hielt den Atem an, nachdem die Frau diese Worte gelassen ausgesprochen hatte. Er fragte
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