072 - Der unheimliche Mönch
dann.
Er antwortete ihr erst, nachdem Cotton Glas und Flasche gebracht hatte und wieder gegangen war.
„Das ist wenigstens ein anständiger Tropfen", meinte er und goß den schäumenden Sekt ein. „Das wird mir guttun. Ich habe ziemliche Kopfschmerzen."
„Ich wünschte nur, Sie bekämen einmal solche Kopfschmerzen, daß Sie nicht wieder daran dächten, zu trinken", erwiderte sie hitzig.
„Dann wollten Sie wohl am liebsten, daß ich tot wäre?"
Sie war sehr unzufrieden mit ihm; sie hatte gehofft, daß er ihr in dieser schweren Zeit eine Hilfe sein konnte.
Dann kam ihr ein Gedanke.
„Was meinten Sie eigentlich, als Sie sagten, das wäre ein anständiger Tropfen?"
„Sehen Sie, nun verstehen wir uns schon besser. Das ist der erste Tropfen Wein in dieser Woche, ich kann Ihnen versichern, daß ich ziemlich nüchtern bin und fast keinen Alkohol trinke."
Hatte er diese Worte tatsächlich im Ernst gesprochen? Hätte er seine Trunkenheit nur vorgetäuscht?
„Was geschah heute abend, als ich Sie hier in diesem Zimmer traf? Es hatte doch ein Kampf stattgefunden."
Er schüttelte den Kopf und sagte scherzhaft: „Ich weiß es nicht. Irgend jemand schlug mir mit der Faust unter das Kinn. Daraus schloß ich, daß der Mann nicht mein Freund war."
Aber dann wurde er plötzlich ernst.
„Würden Sie es tatsächlich gern sehen, wenn - wenn ich Ihnen helfe und für Sie sorgen würde?"
„Ich weiß nicht, was Sie meinen?" entgegnete sie, obgleich sie ahnte, worauf er hinaus wollte.
„Ich meine, Sie brauchen jemanden, der Sie beschützt."
Er war näher an sie herangetreten.
„Glauben Sie denn, daß Sie überhaupt jemanden beschützen können?" erwiderte sie. Im nächsten Augenblick bedauerte sie ihre Äußerung, denn sie wußte, daß sie damit seine nächste Frage herausgefordert hatte.
„Wissen Sie denn nicht, Mary, daß ich sehr viel für Sie tue? Sehen Sie denn nicht..."
„Sie sollen mich nicht Mary nennen."
„Aber wenn Sie doch so heißen? Sie können ruhig Ferdie zu mir sagen, wenn Sie wollen."
„Nein, nicht - wenigstens jetzt nicht", entgegnete sie ein wenig atemlos.
„Hat Goodman Ihnen nicht gesagt, daß er Sie sehr gern mag?"
Sie nickte.
„Der arme Mr. Goodman! Ja, er hat mich geliebt, und ich mochte ihn auch gern."
Sie blickte sich plötzlich um, und er sah, daß sie Angst hatte.
„Was gibt es denn?" fragte er schnell.
„Ich weiß es nicht, aber ich habe das schreckliche Gefühl, als ob uns jemand belauscht. Und ich wünschte, daß sich der Betreffende bemerkbar machte. Dann wüßte man wenigstens, woran man ist."
„Erwarten Sie jemanden?" fragte er überrascht.
„Ja, es soll noch ein Beamter von Scotland Yard kommen. Mrs. Elvery nannte ihn den großen Bradley."
„Der arme Kerl!" sagte er und lachte. „Welchen Zweck hat es denn, den herzubringen? Ich bin tüchtiger als tausend Detektive, und mit O'Shea nehme ich es auch noch auf." Er lachte sonderbar. „O'Shea, das ist ein Kerl!"
Sie trat einen Schritt von ihm zurück.
„Von dem habe ich gehört", sagte sie langsam. „Wie sieht er denn aus?"
Er lachte aufs neue.
„Etwa so wie ich - nur nicht so hübsch."
Sie nickte, aber ihre Stimme klang jetzt nur noch wie ein Flüstern.
„Sie wissen nur zu gut, wer O'Shea ist", sagte sie. „Als Sie gestern draußen im Park mit Connor sprachen, stand ich am Fenster und hörte, wie Sie ihm drohten."
Er schwieg eine Weile.
„Ich habe ihn gewarnt", sagte er schließlich. Und als ob er der Unterredung ein Ende machen wollte, schob er einen Sessel so hin, daß dieser der Wand zugekehrt war. Dann nahm er einen Wandschirm, der in einer Ecke stand, und stellte ihn hinter den Sessel. „Was wollen Sie denn?" „Ich will jetzt schlafen", entgegnete er kurz. „Aber warum stellen Sie den Sessel denn dorthin?" fragte sie erstaunt.
„Hier ist die alte Tür, die die Mönche immer benutzten", entgegnete er lächelnd. „Wenn irgendein Geist in einer schwarzen Kutte erscheint, muß er durch diese Tür kommen."
Hallick kehrte in diesem Augenblick mit Mr. Redmayne zurück.
„Zum Teufel, was machen Sie denn hier?" fuhr er Fane an.
Der hatte eine Decke vom Sofa genommen, die Mrs. Elvery zurückgelassen hatte, und deckte sich damit zu. „Ich will schlafen."
„Das ist hier aber nicht der richtige Platz. Gehen Sie auf Ihr Zimmer", sagte Redmayne unfreundlich.
„Lassen Sie ihn ruhig hier", legte sich Hallick ins Mittel, der sehr nachsichtig gegen Fane zu sein schien.
Der Chefinspektor fühlte
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