073 - Dämonenrache
Kneipe herauszufinden.
Am langen Tresen machte man ihm nur widerwillig Platz. Ein Mann wie ein Regenfass schaute unwillig auf.
»He, Monsieur! Hast du dich nicht verirrt? So ein feiner Pinkel. Soll ich dich mal anpinkeln?«
Alle, die zugehört hatten, lachten schallend.
Roland überlegte kurz. »Du siehst aus wie ein Stück Dreck«, sagte er schließlich. »Soll ich noch einen Haufen drauf setzen?«
Die Männer um die beiden herum wieherten vor Vergnügen. Der Dicke bekam einen roten Kopf. Seine Hände zuckten.
Aber seine Fähigkeiten mochten wohl ausreichen, um Fremde anzupöbeln, doch auf eine Rauferei mit dem hochgewachsenen und wohl auch kräftigen jungen Mann wollte er sich nicht einlassen.
»Der hat dir’s aber gegeben, Shoofi«, lachte ein Mann besonders laut. Er war das genaue Gegenstück des Dicken. Seine Rippen stachen noch durch seinen Pullover, der früher einmal rot gewesen sein mochte. Jetzt glich seine Farbe eher einer Öllache unter einem defekten Auto.
»Nichts für ungut; Leute«, hörte Roland sich sagen. Er wollte die Männer hier nicht provozieren. Eine Schlägerei war das allerletzte, was er jetzt noch brauchen konnte. Er musste das Vertrauen dieser Männer gewinnen. »He, Wirt! Einen Pernod für unseren Dicken!«
Dieser Ton kam an.
»Wenn du ein paar Lappen übrig hast, kannst du ja für uns auch was springen lassen, Kumpel.« Der Magere hatte gesprochen.
»Ist ja auch egal«, meinte Roland daraufhin und versuchte, seine Stimme leicht beschwipst scheinen zu lassen. »Ich muss heute feiern. Meine Frau ist heute durchgebrannt. Ich habe das Aas noch nie leiden können.«
Die Männer johlten.
Roland hatte etwa zweihundert Franc dabei. Er trug sein Geld immer offen in der Sakkotasche. Jetzt griff er unter seinen Mantel und holte die Scheine heraus, knallte sie auf den Tisch.
»Trinkt mit, Brüder! Ich möchte nicht allein saufen.«
Roland sagte noch mehr, doch seine Worte gingen im allgemeinen Geschrei vollkommen unter.
Der Wirt stellte an die zehn Flaschen auf den Tresen. Viele Hände griffen danach. Irgendjemand drückte auch Roland eine Flasche in die Hand. Er öffnete sie und setzte zum Trinken an.
»Prost«, brüllte jemand über den allgemeinen Lärm hinweg. »Auf das Wohl des edlen Spenders. Er lebe hoch!«
Flaschen gluckerten. Auch Roland nahm einen tiefen Schluck und gab dann seine Flasche an den Nächststehenden weiter. Es war der Dicke. Jetzt grinste er und war fröhlich.
»A votre santeé, Monsieur.«
Er siezte Roland sogar wieder.
Es dauerte keine Viertelstunde, bis der Wirt die Flaschen leer in die Abfalltonne werfen konnte. Der Alkohol begann zu wirken. Männer krakeelten, sangen Lieder, die in keinem Liederbuch auftauchen. Roland hatte es geschickt verstanden, kaum etwas trinken zu müssen. Trotzdem gab er sich aufgeputscht und schnapsselig. Den Männern fiel nichts auf.
»Und jetzt noch einen Toast auf Leon Dumarche, den Massenmörder«, grölte Roland.
Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde das ganze Lokal in Schweigen versinken, doch dann rief der Dicke, der den größten Zacken in der Krone hatte, aus: »Jawohl! Einen Toast auf unseren Freund Leon, den keiner von uns je hat riechen können!«
Er lachte scheppernd.
Nach und nach fielen die Übrigen in sein Gelächter ein. Der Bann wich wieder, löste sich auf in alkoholbedingten Frohsinn.
Der Dicke setzte seine Flasche an, in der sich noch ein letzter Rest Cynar befand. Er rülpste laut und vernehmlich, als er ihn ausgetrunken hatte und er sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr.
Das rotbraune Gesöff war ihm den Hals hinunter ins Hemd gelaufen. Er merkte es nicht einmal. Seine Augen begannen glasig zu werden.
»Kanntest du den Mörder?«, fragte Roland, setzte eine Verschwörermiene auf und beugte sich zu dem Dicken hinunter. »Das muss doch ungeheuer interessant sein. Mir läuft es bei dem Gedanken ganz kalt den Rücken hinunter.«
Der Dicke fühlte sich im Mittelpunkt. Plötzlich war er jemand. Er war ein Mann, der Leon Dumarche, den Massenmörder, gekannt hatte. Er sonnte sich in diesem Gefühl.
»Na klar«, sagte er. »Ich kannte Leon gut. Wir haben manchen gesoffen an dieser Theke hier. Kannst es mir glauben.«
»Was für ’n Gefühl ist ’n das?«, lallte Roland. »Ich hab’ noch nie einen Massenmörder kennen gelernt.«
»Überhaupt kein Gefühl«, senkte auch der Dicke den Ton. »Überhaupt kein Gefühl, sage ich dir. Ich habe ihn eben gekannt und mit ihm manchen gesoffen
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