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074 - Der Sohn des Zyklopen

074 - Der Sohn des Zyklopen

Titel: 074 - Der Sohn des Zyklopen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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fühlte sich leer und ausgelaugt. Er war so schwach, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Chapman erging es nicht viel besser. Er war von Dorians Schulter gestürzt und kauerte, leise vor sich hin wimmernd, auf dem feuchten Boden. Dabei konnten sie beide froh sein, so glimpflich davongekommen zu sein.
    Dorian blickte zu der Tür. Sie bewegte sich etwas - wie im Luftzug;. oder als ob sich jemand von der anderen Seite dagegenlehnte. Und Dorian hatte auch das Gefühl, als beobachtete ihn durch den Spalt aus der Dunkelheit ein Auge.
    Er wußte jetzt viel mehr über Tirso, war sich über sein Wesen aber immer noch nicht schlüssig.
    Die auf den Dämonenkiller einstürmende Flut von Gedanken und Gefühlen, hatte ihm eine Vielzahl von Bildern vermittelt. In einer Vision hatte er den etwas über einen Meter großen Zyklopenjungen deutlich vor sich gesehen - wie er in einem Winkel des engen Kellerabteils hockte, die Knie an die Brust gepreßt, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen, das eine große Auge starr nach vorn gerichtet. Wie Torto hatte auch Tirso einen völlig haarlosen Körper. Seine Haut war fast durchscheinend, so daß man die vielen Äderchen sehen konnte, die seinen gesamten Körper wie ein dichtes Netz durchzogen. Diese Äderchen waren es, die seiner Haut einen bläulichen Schimmer gaben.
    Tirso trug einen einteiligen Pyjama, der am Hosenboden völlig durchnäßt war. Sein Gesicht war schweißbedeckt, auch auf dem kahlen Schädel perlten große Tropfen Angstschweiß. Aber am eindrucksvollsten war der Ausdruck des Zyklopenauges. Daraus sprach namenlose Angst, nacktes Entsetzen und auch maßlose Unsicherheit.
    Das alles konnte nicht Täuschung sein. Dieser vierjährige Dämon war unmöglich in der Lage, solche Empfindungen vorzutäuschen. War der Zyklopenjunge überhaupt das Ungeheuer, für das ihn Dorian bisher gehalten hatte? Er glaubte plötzlich nicht mehr daran. Diese kreatürliche Angst war ebenso echt wie die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit, nach Ruhe und Anerkennung. Solche Regungen empfand ein Dämon nicht.
    Die Zweifel begannen wieder in Dorian zu nagen. Er wollte sie verscheuchen, denn er durfte sich nicht von Gefühlen - ob eingebildet oder nicht- beeinflussen lassen.
    Der Zweck heiligte die Mittel.
    „Tirso, komm aus deinem Versteck!" lockte Dorian. „Zeige dich mir! Ich will dich sehen."
    Dorian hätte dem Zyklopenjungen vorlügen können, daß er ihm helfen wollte, daß er ihm die gewünschte Geborgenheit geben könnte; er hätte alle möglichen Tricks anwenden können, um den Zyklopenjungen aus seinem Versteck zu locken, nur um ihn dann zu vernichten. Aber das brachte er doch nicht über sich.
    „Komm heraus, Tirso!" rief er wieder. „Ich muß dich sehen, um zu wissen, woran ich mit dir bin.
    Ich muß mir ein Urteil bilden können."
    Das war die Wahrheit. Dorian hatte den Zyklopenjungen noch nicht endgültig abgeurteilt.
    „Ich weiß, daß du dich hinter dieser Tür versteckst. Willst du, daß ich dich hole?"
    Dorian hatte kaum ausgesprochen, als er in seinem Geist einen leichten Schlag verspürte. Eisige Ablehnung sprach aus diesem vehementen Gedankenimpuls.
    „Na eben!" sagte Dorian. „Wenn du nicht willst, daß ich dich hole, dann muß du freiwillig aus deinem Versteck kommen. Ich habe deinem Vater das Leben gerettet und möchte deiner Mutter helfen. Wenn du das ebenfalls willst, dann komm aus deinem Versteck."
    Dorian formulierte seine Worte absichtlich so, damit er sich in bezug auf das Verhältnis zu Tirso nicht. festlegen mußte.
    „Komm heraus! Ich bin ein Freund deiner Eltern."
    Das war die Wahrheit, aber das hieß noch lange nicht, daß Dorian auch Tirsos Freund war. Das würde sich noch herausstellen.
    Dorian hielt den Atem an, als sich die Tür langsam öffnete.
    Plötzlich ein Aufschrei, dem eine Woge intensivster Emotionen folgte. Dorian krümmte sich unter den auf ihn eindringenden Angstimpulsen. Er konnte sich nicht erklären, was diese Schreckreaktion von Tirso verursacht haben konnte. Doch als sich der Aufruhr in seinem Geist legte, da hörte er Tirsos qualvollen Aufschrei.
    „Mami!"
    Im selben Moment hörte man oben ein Poltern und Rumoren, dem weitere Kampfgeräusche folgten. Die helle Kinderstimme schrie wieder auf.
    Dorian ballte vor Wut und Enttäuschung die Hände. Er war sicher, daß er den Zyklopenjungen aus seinem Versteck gelockt hätte, wenn dieser Zwischenfall nicht passiert wäre.
    Was hatte der Lärm zu bedeuten?
    Dorian

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