0741 - Die schwarze Hand von Taarnfeld
so weit beruhigt, dass sie an einem draußen liegenden Tisch Platz nehmen konnten. Ein richtiges Gespräch wollte nicht aufkommen, denn Nicoles Laune war noch immer auf dem Tiefpunkt.
Brik war daher auch nicht böse, als er eine ihm bekannte Gestalt auf sich zukommen sah. Der Mann hatte einen hochroten Kopf, doch das war bei Kaplan Stockmann ein Dauerzustand, der keine ernsthaften Befürchtungen aufkommen lassen musste. Stockmann war knapp über fünfzig Jahre alt und verrichtete seit langer Zeit hingebungsvoll sein Amt in Schmallenberg und Umgebung.
Simon stand der Amtskirche mehr als skeptisch gegenüber, doch Menschen wie Stockmann waren unglaublich wichtig. Brik wusste, dass der Kaplan sich schon oft weit aus dem Fenster gelehnt hatte, wenn es darum ging, anderen unbürokratisch und schnell zu helfen, ehe irgendein Politiker überhaupt einen Finger hätte rühren können oder wollen. Das war wohl auch der Grund dafür, dass Stockmann immer nur Kaplan bleiben würde.
Ohne sich um Simons Gäste zu kümmern, wuchtete der schwere Mann seinen massigen Körper in einen freien Stuhl am Tisch. »Grüß dich, Brik. Zeitung gelesen? Unglaubliche Sache, was?« Mit einem Tuch wischte er sich die Schweißperlen von der Stirn. »Was wird wohl als Nächstes passieren? Mit der sauerländischen Beschaulichkeit ist’s wohl vorbei.«
Der Mann warf einen kurzen Blick auf Zamorra und Nicole, grinste freundlich und hatte die beiden in der nächsten Sekunde offenbar schon wieder vergessen.
In Brik Simons Gesicht waren deutlich mehrere Fragezeichen zu erkennen. »Stockmann, du musst dich schon klar und deutlich ausdrücken. Was ist geschehen?« Das vertrauliche Du überraschte Zamorra mittlerweile nicht mehr sonderlich, denn das schien hier normal zu sein.
»Was geschehen ist?« Stockmann knallte eine Zeitung vor Brik auf den Tisch. »Da steht es. Lies selbst. Diese Lumpen!«
Die Schlagzeile war für den Regionalteil einer Zeitung wirklich als groß und nicht zu übersehen zu bezeichnen. Kirchenraub in Taarnfeld! Wer stahl die Schwarze Hand?
Stockmanns Faust donnerte auf die Platte des Bistrotischs. »Sakrileg! Der Teufel soll die Kerle holen!«
Zamorra war sich nicht sicher, ob der sich dazu die Zeit nehmen würde…
***
Petra Kirst kam schlagartig wieder zu sich. Ganz so, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, der sie aus ihrer Ohnmacht riss.
Ihr ganzer Körper schmerzte. Sie spürte jeden einzelnen ihrer Knochen, als hätte sie über einen langen Zeitraum hinweg auf hartem Felsboden gelegen. Fels - genauso fühlte sich der Boden unter ihr ja auch an.
Um sie herum war tiefste Dunkelheit, wie Petra sie noch niemals zuvor erlebt hatte.
Nur ganz langsam kam die Erinnerung an das Erlebte zu ihr zurück. Der Unfall, die Flucht, das Ding.
Petra konnte das alles nicht zuordnen, konnte keine auch nur einigermaßen logische Erklärung dafür finden, warum sie jetzt hier auf dem nackten Boden im Stockdunklen lag.
Ich muss aufstehen. Muss nach Hause!
Alles weitere würde sich schon finden.
Der Versuch, auf die Beine zu kommen, ließ helle Panik bei ihr ausbrechen, denn sie konnte sich keinen Millimeter bewegen! Sie schaffte es nicht einmal, den Kopf anzuheben. Es schien, als wäre ihr Körper magnetisch mit dem Boden unter ihr verbunden!
Gleichzeitig war sie sich aber auch sicher, dass sie ohne weiteres hätte aufstehen können, doch irgendetwas blockierte sie, so sehr sie sich auch konzentrierte. Es ging einfach nicht!
Petra Kirst riss den Mund zu einem lauten Schrei auf - doch mehr als ein Krächzen kam dabei nicht heraus!
Um Himmels Willen, was geschah hier mit ihr? Wer tat ihr das an? Und warum gerade sie? Tränen der Wut und Verzweiflung rannen ihr über das Gesicht. Diese völlige Hilflosigkeit war eine erniedrigende Erfahrung.
Dann drang das Geräusch an ihre Ohren! Ein leiser Ton, ähnlich wie von einem winselnden Tier, und Petra Kirst realisierte, dass das ihrem Krächzen von vorhin nicht unähnlich klang.
Sie war hier nicht allein!
Ein zweites Geräusch folgte, dann ein drittes.
Nun gab es keinen Zweifel mehr.
Sie wurde hier gemeinsam mit den vermissten Frauen gefangen gehalten!
Was bezweckte der Entführer - ob Mensch, Tier oder was auch immer -damit? Ging es um Lösegeld?
Sicher nicht, denn Petra war arm, wie die sprichwörtliche Kirchenmaus. Soweit sie sich erinnern konnte, stammten auch die anderen Frauen aus eher bescheidenen Verhältnissen. Also ein Irrer? Ein Wahnsinniger, der aus irgendeiner
Weitere Kostenlose Bücher