0741 - Die schwarze Hand von Taarnfeld
Schritte…
Sie wusste, dass sie sich damit selbst belog, denn ihr Unterbewusstsein hatte längst schon entschieden, nicht wieder in das dunkle Loch zurückzukehren. Oder hatte er ihr das eingeflüstert? Anna war es egal, denn sie genoss die frische Luft und den moosbedeckten Boden unter ihren nackten Füßen.
Spielerisch lief sie einige Schritte von der Höhle weg, um dann wieder umzukehren.
Der harte Fausthieb traf sie mitten ins Gesicht und brach ihr das Nasenbein. Ein zweiter Schlag auf ihr linkes Ohr ließ ihr Trommelfell platzen.
Eine gnädige Ohnmacht ersparte ihr weitere Treffer, denn wie ein Stein sackte Anna zu Boden…
***
Mühsam öffnete sie die Augen.
Ein roter Schleier behinderte ihr Sichtfeld, ganz so, als würde sie durch ein Fenster blicken wollen, das beim Schlachten eines Schweines mit Blut bespritzt worden war.
Blut! Ihr eigenes Blut!
Ihr Kopf schmerzte wie eine einzige große Wunde, ihr linkes Ohr wurde von einem dumpfen Pochen beherrscht, die Nase fühlte sich an, als hätte man sie mit einem Hammer bearbeitet.
Eine neue Ohnmacht wollte sie umfangen, doch ein Schwall Wasser riss sie brutal in die Wirklichkeit zurück. Durch den Schleier hindurch sah sie ihn, den Bauern, der mit hämischem Grinsen den Lederschlauch voller Wasser über ihr ausgegossen hatte.
Und sie sah noch jemanden - Lisa!
Und Lisas Mann, den Verwalter, der seine Frau mit einer Hand brutal in die Haare gefasst hatte und ihren Kopf nach hinten zog. Schlagartig wurde Anna klar, was geschehen war. Der Verwalter musste seine Frau bei ihrem nächtlichen Ausflug zu der Höhle mitten im Wald verfolgt haben. Dann hatte der Mann zwei und zwei zusammengezählt und seinen Herrn, den Bauern, verständigt.
Lisas Gesicht war ebenfalls blutig geschlagen, also hatte sie Anna nicht einfach so verraten wollen. Doch der Verwalter hatte bestimmt genug gesehen, um den Bauern zu überzeugen und ihn hierher führen zu können.
»Siehst du, dummes Balg, mir entkommst du nicht!« Mit der flachen Hand schlug der feiste Bauer erneut zu, doch diesmal nur schwach, damit sein Opfer bei Sinnen blieb. »Und nun werde ich mir holen, was mir zusteht. Jetzt und hier! Und deine Freundin wird dabei zusehen. Ich werde euch lehren, gegen mich aufzubegehren!«
Erst jetzt bemerkte Anna, dass sie splitternackt war, und sie wusste nur zu gut, was jetzt passieren würde.
Wo war er? Warum ließ er sie jetzt im Stich?
Warum nur? Warum hatte er sie nicht gewarnt?
In der nächsten Sekunde wurden all diese Fragen zur Nebensache, als der Bauer der seine fetten Finger nach ihr ausstreckte…
***
»Was hat es mit dieser Schwarzen Hand auf sich, Herr…?« Zamorras Neugier war geweckt, denn alles konnte ein Anhaltspunkt sein, oder eine Niete, das wusste man immer erst hinterher.
»Stockmann, Kaplan Stockmann«, stellte der Kirchenmann sich nun selbst vor, was Brik ja versäumt oder nicht für notwendig gehalten hatte. Nun jedoch machte er den Kaplan mit Zamorra und dessen Begleiterin bekannt.
Anschließend übernahm der Kaplan das Wort. »Nun, Professor, ich weiß ja nicht, wie gut Sie sich in der katholischen Lehre auskennen?«
»Leidlich, Herr Kaplan, leidlich.« Zamorra hielt sich bedeckt und wollte lieber sein Gegenüber erzählen lassen.
Der tat ihm nur zu gerne den Gefallen.
»Sie wissen sicher um die Bedeutung von Reliquien, nehme ich an.« Der Kaplan wartete die Bestätigung nicht ab. »Die Schwarze Hand von Taarnfeld fällt nicht so unbedingt in diese Kategorie. Sie gilt eher als - nun - als Mahnmal, wenn ich so sagen darf. Als Mahnung gegen Gewalt und deren schlimme Folgen.« Der Kaplan bevorzugte Kunstpausen, die er sicher oft und gerne bei Predigten einzusetzen pflegte. Erst ein drängender Blick von Simon ließ ihn fortfahren. »In der Kirche zu Taarnfeld, einem wirklich schönen Dorf, das nicht weit von Briks Wohnort Nassen entfernt liegt, wird in einer Vitrine im Eingang des Kirchenschiffs besagte Hand aufbewahrt.« Wütend schlug er erneut mit der Faust auf den kleinen Tisch. »Wurde, muss ich ja jetzt wohl sagen, denn sie ist ja verschwunden!« Das Rot seines Kopfes wurde noch dunkler. »Gestohlen!«
Brik Simon sah den Parapsychologen an. »Meinst du, die Sache hat etwas mit den verschwundenen Frauen zu tun?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wenn der Herr Kaplan so nett wäre, uns die ganze Geschichte zu erzählen, wüsste ich vielleicht mehr.«
Der tat nichts lieber als das. »Alles fing wohl an, als vor langer Zeit - man sagt, am
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