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0743 - Die Kinder des Adlers

0743 - Die Kinder des Adlers

Titel: 0743 - Die Kinder des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Austin Osman
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eine ganze Strecke zurücklaufen, bis er den Jungen fand, der sich unter einen Busch verkrochen hatte.
    »Lassen Sie mich hier«, bat Leo kläglich. »Ich schaffe es nicht.«
    »Was du schaffst oder was du nicht schaffst, bestimme immer noch ich«, bemühte sich Zamorra um eine energische Antwort.
    »Sie reden den selben Schrott daher wie unser Sportlehrer«, murmelte Leo. Sein Kopf schwankte, und er hatte merklich Mühe, die Augen offen zu halten.
    »Nun gut«, lenkte Zamorra ein, »dann packen wir die Sache eben von der anderen Seite an - ich kann dich hier nicht allein lassen. Also wirst du dich jetzt aufraffen oder du zwingst auch mich, hier zu warten, und damit ist unsere Chance dahin, hier jemals wieder raus zu kommen.«
    »Das ist Erpressung«, kam es leise von Leo.
    »Genau das ist es! Tragen kann ich dich nämlich nicht.«
    Zamorra half dem Jungen auf die Beine, stützte ihn, bis Leo seinen Rhythmus gefunden hatte und langsam neben ihm herging.
    Bald, das war Zamorra klar, würden auch die ausgefeiltesten Motivationskünste nichts mehr ausrichten können.
    Der Fluss verbreiterte sich nun und wirkte fast wie ein stiller See. Zamorra sah die Spiegelung der Pyramide auf dem glatten Wasserspiegel, bevor er hinter dem Laubwerk der Ufervegetation das Bauwerk selbst erblicken konnte. Es war eine hohe, steile Pyramide, die aus Baumstämmen und gestampfter Erde errichtet worden war. Die Vorderseite wurde durch eine Treppe aus Rundhölzern geteilt. Auf der Plattform an der Spitze stand eine strohgedeckte Hütte, wie der Dämonenjäger sie schon in dem Dorf gesehen hatte.
    Es war ein ebenso überraschendes wie großartiges Bild. Trotzdem überkam den Dämonenjäger ein Gefühl des Ekels, als er die leuchtenden roten Farbspuren entdeckte, die von der Plattform herab über die obersten Treppenstufen geflossen waren.
    Es fiel ihm schwer, seinen Widerwillen zu unterdrücken und die Treppe zur Plattform hochzusteigen, aber er durfte die Gelegenheit für einen weiten Rundblick nicht einfach- verpassen. Also quälte er sich die steile Treppe hoch, die man wie eine Leiter nur mit Händen und Füßen erklimmen konnte.
    Süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase, eine Wolke von Fliegen stieg auf und brauste um seinen Kopf. Die lästigen Insekten begannen, in seine Ohren und seine Nasenlöcher zu kriechen. Wütend wedelte er sie mit der Hand fort und musste sich hüten, dabei das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen.
    Neben sich hörte er Leo keuchen.
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst unten bleiben«, knurrte Zamorra.
    »Das ist Fruchtsaft«, sagte Leo den Vorwurf ignorierend.
    Es war tatsächlich Fruchtsaft. Das, was Zamorra für Blut gehalten hatte, war der rote Saft irgendwelcher Früchte. Und die Schädelpyramide, die er von unten ausgemacht hatte, entpuppte sich als ein Stapel großer, zerteilter Früchte. Auf dieser Pyramide fanden Rituale statt, die denjenigen der Mayas oder Azteken ähnelten - mit dem wesentlichen Unterschied, das hier kein Blut floss.
    Als Zamorra den strohgedeckten Tempel betrat, fröstelte er. Die Temperatur war hier wesentlich niedriger, obwohl nur eine dünne Flechtwand den Innenraum von der Dschungelhitze trennte. Auf einem Tisch lagen, als wären sie zum Verkauf ausgestellt, -heilige? - Gegenstände. Es waren goldene Masken, Messer aus Feuerstein, Perlenketten und Federkronen.
    Als er sich vor den Tisch stellte, wusste Zamorra plötzlich mit absoluter Sicherheit, dass er einen Gegenstand auszuwählen hatte.
    Er zögerte, bremste seine Hand, die wie selbstständig nach einem Obsidiandolch mit Goldknauf greifen wollte. Dann schob er die Federn eines Kopfschmucks beiseite und entdeckte einen dort verborgenen angespitzten Holzstab. Vielleicht war es dessen Ähnlichkeit mit tibetischen oder auch antiken Donnerkeilen, die Zamorra zugreifen ließ. Vielleicht war es einfach Instinkt.
    Oder es lag daran, dass von draußen ein Schrei erklang und Leo schrie: »Kommen Sie! So etwas habe ich noch nie gesehen. Das gibt’s doch gar nicht!«
    ***
    Für Nicole Duval war es, als würde sich die Zeit plötzlich beschleunigen. Eben noch träge fließend wie der Urwaldstrom, rissen die Ereignisse sie plötzlich und unerwartet weiter.
    Sie hatte den Zettel mit der Adlertätowierung für einen Hinweis gehalten. Bald schwand ihr Enthusiasmus allerdings, und sie fragte sich, ob man sie nicht wirklich in die Irre führen wollte, wie Robert es vermutet hatte.
    Tendyke kümmerte sich um eine Möglichkeit, diesen

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