0743 - Finsternis
etwas zu sagen zu haben, baut sich eine Hausmacht auf. So war es, so ist es, so wird es immer sein, da kann passieren, was will. Aber bleiben wir in der Vergangenheit. Auch Henoch und Lilith haben natürlich versucht, sich eine Hausmacht aufzubauen, und das ist ihnen nach einiger Zeit gelungen. Ihre Hausmacht sind die Kreaturen der Finsternis.«
»Gehören sie nicht zu Luzifer?« fragte ich.
»Nein, John, er gab ihnen nur den Segen. Oder hast du das etwa geglaubt?«
»Ich ging bisher davon aus.«
»Ganz falsch ist es nicht. Er ist eben die unerklärliche und überaus furchtbare Macht im Hintergrund. Wir haben einen Vorteil. Das Böse ist damals besiegt worden, ohne daß es allerdings ganz zerstört wurde. Es haben sich auf der Erde die Menschen entwickelt, und Menschen sind eben keine Maschinen. Sie sind komplizierte Geschöpfe, die menschlich reagieren und den Versuchungen oftmals nicht widerstehen können. Und sie werden oft in Versuchung geführt, das brauche ich dir nicht zu erzählen. So ist es auch mit den Menschen, die sich hier im Hotel Krone versammelt haben. Nicht alle Gäste gehören zu ihnen, leider ein Großteil davon. Sie warten auf die Finsternis, die in der folgenden Nacht erscheinen wird. Da wirst du trotz des klaren Himmels keinen Stern sehen. Da wird sich eine urzeitliche Dunkelheit über das Land legen, als hätte jemand ein Tuch ausgebreitet, und dann ist seine Stunde sehr nah.«
»Henochs!«
Franca nickte. Ich sah, daß auch sie eine Gänsehaut bekommen hatte, weil sie eben über diesen furchtbaren Vorgang nachdachte. Sogar Tränen glitzerten in ihren Augen.
Ich hielt meine bedrückenden Gefühle zurück und fragte: »Du weißt genau, daß er kommen wird, aber wie wird er erscheinen? Wird er als Geist aus der Finsternis steigen?«
»Du kommst der Lösung sehr nahe.«
»Bitte, Franca…«
»Er wird als Geist kommen. Man wird ihn durch ein Medium anlocken, das bereits eingetroffen ist. Und sein Geist wird in den Körper eines anderen fahren, um durch ihn eine gewaltige Wiedergeburt zu erleben. So und nicht anders ist es geplant.«
»Weißt du, wer dieser Mensch ist?«
Sie nickte.
Ich schaute sie an. Es fiel ihr schwer, eine Antwort zu geben. Auf der Stirn lag Schweiß, aber ich hatte sehr genau zugehört und konnte auch gewisse Dinge addieren. Ich dachte an die Szene in der Hotelhalle und stellte eine kurze Frage.
»Ist es der Junge?«
Franca schluckte, dann nickte sie. »Ja, John Sinclair, es ist der Junge.«
»Wie heißt er?«
»Elohim.«
Ich runzelte die Stirn. »Moment mal, das ist hebräisch, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Du hast recht.«
»Hat dieser Name, der ja sehr ungewöhnlich ist, eine tiefere Bedeutung?«
»Sicher. In der Luther-Bibel wurde der Name mit Gott übersetzt. Das stimmt aber wohl nicht, denn in alten lateinischen Übersetzungen bedeutet der Name Götter. Manche sagen auch Götze. Er ist kein guter Gott, er ist ein Götze, oder er wird in der folgenden Nacht zu einem solchen gemacht, wenn Sie verstehen.«
»Ja, das habe ich begriffen«, flüsterte ich, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf, weil ich es einfach nicht fassen konnte, daß ein Kind dazu ausersehen war, den Geist dieses abtrünnigen Engels in sich aufzunehmen.
»Ist die Eröffnung sehr schlimm für dich gewesen?« wollte Franca Simonis wissen.
»Das kann man wohl sagen. Ich frage mich natürlich, wieso dieser Junge? Woher stammt er?«
Sie massierte vorsichtig die Haut an ihrem verbrannten Knöchel. »Ja, das ist eine gute Frage. Woher stammt er? Ich weiß es nicht. Auch meine Freunde wissen es nicht. Wir kennen seine Eltern nicht, wir wissen nicht, wo er großgezogen worden ist. Wir wissen auch nicht, wie sie gerade auf ihn gekommen sind. Es muß da schon ein Geheimnis um ihn geben, das auch bisher geheimgehalten werden konnte. Dieser Junge ist, da bin ich mir sicher, etwas Besonderes.«
»Das denke ich auch. Woher hast du von ihm erfahren?«
»Wir haben davon erfahren, unsere Organisation. Es ist uns gelungen, in den Kreis einiger Satanisten einzudringen und ihren Anführer für eine Weile festzuhalten. In einem Anfall von Wut hat er dann geplaudert und von der Finsternis sowie von Henochs Rückkehr berichtet. Leider mußten wir diesen Mann laufenlassen. Wir sind auch keine Mörder, wir haben ihn nicht umgebracht, obwohl er uns sicherlich mehr über die Kreaturen der Finsternis hätte sagen können. Aber wir hielten ihn unter Beobachtung.«
»Kenne ich ihn?«
»Das glaube ich
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