0743 - Finsternis
Dagmar, denn sie saß wie eine Puppe auf ihrem Platz und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Sie erlebte in diesen Sekunden den ersten wirklich großen Triumph und wußte nun, daß all ihre Mühen einen Sinn gehabt hatten.
Nichts unterbrach die Feierlichkeit des Augenblicks. Auch als Elohim geendet hatte, blieb die Stille noch eine Weile bestehen, bis Dr. Sträter röchelnd ausatmete und in seinem Rollstuhl zusammensackte, als wäre die Energie, die ihn in den letzten Minuten hochgehalten hatte, verbraucht.
»Ich bin müde«, sagte er. »Ich muß etwas ruhen, damit ich den Anbruch der Finsternis genießen kann.«
Dagmar erhob sich. »Ich bringe Sie in den Schlafraum, Dr. Sträter. Dort wird man Sie nicht stören.«
Er nickte. Wieder sah es so aus, als würde sich der Kopf vom dürren Hals lösen. An ihm wuchs die Haut wie Lappen, die sich übereinandergeschichtet hatten.
Die Frau ging vor. Sehr stolz, mit hocherhobenem Haupt. Der alte Mann folgte ihr. Er saß nicht mehr so aufrecht, war im Rollstuhl zur Seite gekippt und sah aus, als hätte er Mühe, sich überhaupt in seinem Gefährt zu halten.
Das Schlafgemach bestand bei dieser Suite aus zwei Räumen, denn ein geräumiges Bad gehörte ebenfalls dazu. Man konnte es durch eine Seitentür betreten.
»Ich bleibe in meinem Stuhl sitzen«, sagte er, und damit war Dagmar verabschiedet.
Als sie wieder zu den anderen zurückkehrte, war Angelo eingetroffen. Sie sah es seinem Gesicht an, daß er schlechte Nachrichten hatte, und sie fragte nur: »Was war los?«
»Ich finde Curzo nicht!«
Dagmar begriff nicht. »Wie meinst du?«
»Wir hatten ihn zu Franca Simonis geschickt.«
»Und?«
»Er war nicht in unserem Zimmer.« Dagmar überlegte. »Was denkst du?« fragte sie dann.
»Ich kann es dir nicht sagen.«
»Warst du bei ihr?«
»Nein, ich wollte dir zuvor Bescheid geben, damit wir über gewisse Dinge reden.«
»Das werden wir auch. Nun zur anderen Sache. Hast du herausgefunden, wer dieser Mann und die Frau sind?«
Angelo lächelte nicht, obwohl er eine positive Nachricht aufzuweisen hatte. »Die Frau heißt Jessica Long…«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Aber der Mann…«
»Was ist mit ihm?«
»John Sinclair!«
Dagmar schwieg. Plötzlich verlor ihr Gesicht an Farbe. Sie hatte Mühe, stehenzubleiben, mußte sich jedoch an einer Stuhllehne abstützen. Scharf atmete sie aus.
Elohim schüttelte den Kopf, weil er die Reaktion seiner Gouvernante nicht begriff. »Dagmar, was ist los mit dir? Wer ist dieser John Sinclair? Warum fürchtest du dich vor ihm?«
»Ich brauche mich nicht vor ihm zu fürchten.«
»Doch, du siehst so aus.«
»Nein, Elohim, wenn sich einer vor ihm fürchten muß, dann bist du es, mein Kleiner.«
»Ich?« Er wollte lachen, das aber blieb ihm im Hals stecken. Er krächzte: »Wieso ich denn?«
»Weil John Sinclair dein Todfeind ist!«
***
Franca Simonis legte tatsächlich die Karten auf den Tisch. Schon ihr erster Satz war ein Hammer.
»Ich arbeite für den Vatikan, John!«
Ich schwieg. Diese Eröffnung hatte mir die Sprache verschlagen. Mit allem hätte ich gerechnet, damit allerdings nicht, und ich merkte, daß durch meinen Kopf zahlreiche Gedanken huschten, die sich jedoch nicht zu einer Linie finden konnten.
Was hatte der Vatikan damit zu tun?
Diese Frage stand wohl in meinen Augen zu lesen, denn Franca sagte: »Ich werde es dir gleich erklären, John. Ich muß hinzufügen, daß du eine der wenigen Personen bist, die ins Vertrauen gezogen werden. Außenstehende wissen kaum etwas von uns.«
»Das glaube ich.«
Sie lächelte. »Wir haben uns auch verpflichtet, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, aber die Zeiten ändern sich, und alte Versprechen können nicht mehr eingehalten werden.«
»Das habe ich gehört.«
Franca preßte die Lippen zusammen, was ihrem Gesicht einen bitteren Ausdruck verlieh. »Es ist einfach schlimm geworden, die anderen Kräfte formieren sich.«
»Gegen wen?«
»Gegen uns, zum Beispiel.«
»Wer, bitte schön, seid ihr genau?«
Franca Simonis drückte ihren Rücken durch. Mit beiden Händen fuhr sie in ihr Haar. Sie hatte sich wieder erholt, die Gesichtszüge zeigten eine gewisse Entspannung. »Wie ich dir sagte, wir arbeiten für den Vatikan, und wir haben auch einen Namen. Wir sind die Weiße Macht.«
»Nie gehört«, erwiderte ich spontan.
Die Antwort verband sie mit einem Lachen. »Kann ich mir vorstellen, denn das ist auch der Sinn einer Geheimgesellschaft. Ich möchte dir
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