0743 - Finsternis
allerdings versichern, daß es uns schon sehr lange gibt und wir auch hin und wieder effektiv gearbeitet haben. Ich versichere, daß wir unsere Augen überall haben.«
»Auch in meinen Gefilden?«
»Selbstverständlich«, gab sie zu. »Nur sahen wir bisher keinen Grund, uns dir gegenüber zu offenbaren, obwohl es irgendwann einmal kommen würde, wie du ja heute erlebt hast. Da haben sich eben die Zeiten sehr geändert, und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich unsere Wege kreuzen würden.«
»Das haben sie jetzt getan. Ich komme mir dabei vor wie jemand, den man ins eiskalte Wasser geworfen hat, der dazu noch Nichtschwimmer ist und sich an der Oberfläche halten muß. Ich paddle noch herum und suche die Eisscholle, auf die ich mich retten kann. Bitte, ich möchte von Ihnen Einzelheiten wissen.«
»Wir sind die Weiße Macht, werden vom Vatikan finanziert und haben unseren Sitz in Turin.«
»So weit, so gut«, sagte ich.
»Wir haben die Rolle eines Beobachters übernommen. Wir sind keine Trendsetter, aber wir suchen nach Strömungen, die unseren Intensionen entgegenlaufen. Nur beschäftigen wir uns nicht mit Kleinigkeiten, wir greifen dann ein, wenn die Gefahr zu einer globalen Macht wird.«
»So wie jetzt.«
»Wie hier in Pontresina!« bestätigte sie.
Ich wurde noch präziser. »Wie hier im Hotel.«
»Genau.«
»Dann möchte ich mal von unten beginnen, Franca, und die Weiße Macht vorn anstellen. Mir geht es um den Toten. Ich habe sein wahres Gesicht gesehen. Es war eine Fratze wie von…«
»Einem Reptil!« sagte sie.
»Exakt. Dann hast du sie auch gesehen?«
»Sicher, John, sicher.«
»Und weiter?«
Sie hob die Augenbrauen und atmete mit offenem Mund. Dann stand sie auf, ging zum Fenster, blieb dort stehen und schaute über den Ort hinweg gegen die Berge. »Du hast ihn gesehen, ich habe ihn gesehen. Ist er dir zum erstenmal begegnet?«
»Nein, Franca!«
Sie war zum Du übergegangen, dabei blieb sie auch. »Dann weißt du, welche Gefahr sich da zusammenbraut.«
»Ja, das habe ich erkannt. Ich hatte sie schon vor einigen Wochen verfolgt und einen sehr schweren Stand gegen sie gehabt. Ich weiß, daß sie sich Kreaturen der Finsternis nennen und sehr alt sind. Sie haben es im Laufe der Zeit geschafft, sich den Menschen anzupassen, ohne allerdings ihr wahres, ihr erstes Gesicht verloren zu haben. Liege ich soweit richtig? Paßt das auch in deine Nachforschungen?«
»Alles korrekt. Du hast gesagt, daß sie sehr alt sind. Da möchte ich dich berichtigen, John. Diese Kreaturen sind uralt. Manche sagen, daß sie so alt sind wie die Welt. Es sind die Dämonen, die damals bei den großen Kämpfen, als das Reich des Bösen sich erhob, um Gott von seinem Thron zu stürzen, schon mitgemischt haben. Da waren sie die Helfer gewesen. Die Krieger der aufständischen Engel, wenn ich das mal so salopp sagen darf.«
»Kein Widerspruch.«
»Aber sie haben verloren.«
»Was wiederum die Geburtsstunde Luzifers war, des absolut Bösen. Es war das Ende und gleichzeitig ein neuer Beginn. Er gehörte zu denen, die nie aufgegeben haben. Sie sind verbannt worden, aber sie haben es geschafft, eine neue Macht zu bilden und diese auch über die Zeiten hinweg zu retten.«
»Sehr gut. Und weiter…«
»Diese Macht hat einen Namen.«
»Luzifer!«
Franca drehte mir den Rücken zu und schüttelte dabei den Kopf. »Im Prinzip hast du ja recht, weil sich alles Böse auf die Ursprünge und damit auch auf Luzifer zurückführen läßt. Aber es gibt da trotzdem Unterschiede, denn du weißt selbst, daß sich im Laufe der Zeit etwas entwickelt hat. Es ist doch wie der Stein, den du ins Wasser wirfst und der dann Wellen schlägt. So war es auch hier. Das Böse zweigte ab. Es verlief sich in verschiedenen Richtungen. Dämonen aller Art entstanden und bekämpften sich. Die Hölle wurde geboren und nicht nur in den Köpfen oder der Phantasie der Menschen. Du weißt es am besten, John, denn du hast immer wieder gegen die Auswüchse gekämpft. Aber es ist gleichzeitig etwas von der alten Ursprünglichkeit geblieben, eben von diesen Urdämonen, den Kreaturen der Finsternis, den einzig wahren, wenn ich das so hinstelle.«
»Die jetzt im Vormarsch sind, wie wir beide schließlich sehr genau wissen.«
»So ist es.«
»Aber das ist mir zuwenig. Kannst du nicht konkreter werden, denn hier wird ja auch bald etwas Konkretes ablaufen.«
Franca drehte sich wieder um, kam zu mir, passierte mich und setzte sich wieder auf das Bett. »Wie ich
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