0748 - Maori-Zauber
nichts zu bedeuten. Ich muss nur mal ausschlafen. Kommst du?«
»So schnell es geht«, versprach Zamorra.
»Danke, bis dahin.«
Damit brach die Verbindung ab, und das nervige Tuten der Freileitung drang aus dem Lautsprecher.
»Verbindung schließen, Ende«, sagte Zamorra. Seine Stimme klang zögernd, irgendwie abwesend, und verriet, dass er mit den Gedanken ganz woanders war.
»Nehmen wir uns Zeit für ein Frühstück, Chef?«, fragte Nicole.
»Natürlich. So viel Zeit muss sein. Außerdem…«
»Außerdem klingt diese Sache so übel, dass sie ein ausgedehntes Frühstück rechtfertigt.«
***
»Braver Junge«, sagte Graf Florace des Esseintes. Der höhnische Unterton wurde durch die Fistelstimme des Adligen noch verstärkt.
Er nahm Huysmans den Telefonhörer aus der Hand und legte ihn auf die Gabel. Huysmans blieb in der einmal eingenommenen Position stehen, bis er von Antun grob zur Seite geschoben wurde.
Der Graf deutete auf Huysmans, ließ den Finger dann weiterwandern, bis er auf das Fenster gerichtet war, und schnippte dann mit den Fingern.
Antun ließ mit einem Nicken erkennen, dass er verstanden hatte. Er packte Huysmans und führte ihn zur Tür.
Des Esseintes sah vom Fenster aus, wie sie den Schlosshof überquerten und schließlich zwischen den Bäumen verschwanden. Er stützte sich an der Wand ab, als ihn ein Anfall von Übelkeit schüttelte.
Für ihn war es nicht notwendig, sich seine Gesundheit mit einem ausschweifenden Lebenswandel zu ruinieren, wie es seine Ahnen getan hatten. Des Esseintes war schon mit einem hauchdünnen Nervenkostüm zur Welt gekommen, und die letzten Ereignisse hatten ihm den Rest gegeben. Jedes Summen einer Fliege, die den Winter in den mollig warmen Räumen von Schloss Loup zahlreich überlebt hatten, brachte ihn an den Rand der Raserei.
Es musste etwas getan werden. Doch zum Glück hatte Florace des Esseintes einige Rezepte aus dem Erfahrungsschatz seiner Vorfahren…
***
Nicole und Zamorra hatten das fürstliche Frühstück schon verspeist, als Nicole wieder auf ihre kommende Reise zu sprechen kam.
»Schweres Gerät?«, fragte sie.
»Das Übliche. Amulett, Blaster und die Dhyarras. Wenn man nur wüsste, was einen erwartet.«
»Ärger«, sagte Nicole Duval und ließ damit ihre gesamte Lebenserfahrung an der Seite des Parapsychologen Zamorra aufblitzen.
Doch der achtete gar nicht auf seine Kampfpartnerin, sondern fixierte einen Punkt an der Decke. Erst ein leichter Tritt gegen das Schienbein seitens Nicole brachte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit.
»Was ist los mit dir?«, wollte sie wissen.
»Ich fragte mich nur gerade«, sagte Zamorra, »ob diese Meldung, die ich gestern gelesen habe, etwas bedeuten könnte.«
»Kannst du meiner Unkenntnis etwas auf die Sprünge helfen? Dafür verrate ich dir dann ein paar tolle Schminktipps.«
»O làlà, dann darf ich mir für den Freitagabend auch das kleine Schwarze ausleihen?« Der Dämonenjäger grinste, wurde aber sofort wieder ernst. »Gestern kam die Meldung, dass Guilleaume Villiers tot aufgefunden wurde. Er war ein besonderer Freund von Polizisten und Kunstliebhabern. Einerseits war er ein respektierter Kunsthändler, der auch schon für den Louvre gearbeitet hat. Auf der anderen Seite wurde er immer wieder mit Hehlerei und illegalen Importen von Kunstwerken in Zusammenhang gebracht. Seine Spezialität war übrigens der Handel mit afrikanischer und ozeanischer Kunst.«
Nicole stieß einen anerkennenden Pfiff aus und klimperte mit dem Löffel gegen den Rand ihrer Tasse. »Ozeanien - damit wären wir bei den Maoris.«
»In der Tat«, bestätigte Zamorra.
»Dieser Villiers… Die Frage beantwortet sich zwar von selbst, aber ich stelle sie trotzdem. Natürlicher Abgang?«
»Mitnichten.« Professor Zamorra schüttelte den Kopf. »Er wurde ermordet. Und zwar auf ziemlich hässliche Weise. Als er gefunden wurde, waren seine Überreste schon ziemlich…«
»Er ist also nicht erst gestern umgebracht worden?«, unterbrach ihn Nicole.
»Nein, viel früher. Es muss vor Wochen gewesen sein. Er wurde in einem Wald bei Chantilly gefunden.«
»Diese ziemlich hässliche Weise, ihn vom Leben zum Tode zu befördern -war das vielleicht Folter?«
»Die Polizei spricht von perversen Spielen, bei denen Villiers zuerst selbst mitgemacht hätte. Es ist bekannt, dass er im sexuellen Bereich etwas abartig veranlagt war. Du erinnerst dich vielleicht an den Skandal, als seine Tochter ankündigte, so eine Art Bekenntnisbuch
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