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0749 - Hort der Wölfe

0749 - Hort der Wölfe

Titel: 0749 - Hort der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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Wolf überließ. Dass ich dem bösen Geist gestattet habe, über mich zu verfügen.« Und dann setzte er noch hinzu: »Aber…«
    Doch Old Man ließ ihn nicht ausreden und vollendete an seiner Stelle: »Aber du hast es ja nur gut gemeint, habe ich Recht?«
    »Ja.« Strongtree schnaubte leise. »Glaubst du mir etwa nicht?«
    »Doch. Ich zweifle nicht an deiner lauteren Absicht. Aber hältst du es wirklich für eine gute Idee, Feuer mit Feuer zu bekämpfen? Gewalt mit Gewalt?«
    »Sie ist mein einziges Mittel. Unser einziges Mittel!«
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte Old Man, und nun lag doch eine Regung in seinem Ton, etwas wie Trauer oder Enttäuschung wenigstens. »Oder ist es der Wolf, der da aus dir spricht?«
    Strongtree schwieg einen Moment lang betroffen und lauschte in sich hinein. Dann sagte er leise: »Verzeih, du hast Recht, fürchte ich.«
    »Du musst mich nicht um Entschuldigung bitten«, entgegnete Old Man. »Vergiss nie - du tust es nur für dich, nicht für mich. Du bist es, der sich für diesen Weg entschieden hat. Ich zeige ihn dir nur und führe dich. Das ist meine Aufgabe - mein Beruf, wie die Weißen wohl sagen würden. Und ich kann und werde dich nicht daran hindern, wenn du beschließt, deinen Weg nicht weiterzugehen bis ans Ende. Ich werde dich nicht einmal nach deinen Gründen fragen. Denn das ist nicht meine Aufgabe. Du, Strongtree, bist ein freier Mensch.«
    Bei seinen letzten Worten huschte ein winziges Lächeln um die Lippen des Alten, das Strongtree jedoch entging. Old Man hatte diese letzten Worte mit Bedacht gewählt - und Strongtree reagierte, wie Old Man es erwartet und sich erhofft hatte.
    »Das bin ich eben nicht - ich bin kein freier Mensch!«, knurrte Strongtree und ballte die Fäuste. »Ich bin ein Gefangener - ein Knecht des bösen Geistes, der in mir wohnt. Aber ich will frei sein. Deshalb bin ich zu dir gekommen, Alter. Um jenen Weg zu gehen, den nur du kennst und den zu gehen du schon so vielen geholfen hast.«
    »Dann mach dich bereit, ihn zu gehen. Diese Bereitschaft musst du in dir selbst finden. Ich kann sie dir nicht geben.«
    »Aber…«, Strongtree senkte den Kopf und seufzte, »…es ist so schwer.«
    Old Man legte dem jungen Navajo die Hand auf die Schulter. »Ich weiß«, sagte er. »Ich erinnere mich nur zu gut. Die Versuchung ist stark…«
    Strongtree nickte stumm. Dann hob er den Kopf und sah Old Man in die Augen. In diese uralten und doch so jungen Augen, die so vieles schon gesehen hatten. Allein die Fülle von Zeit, die sie geschaut haben mussten, überstieg Strongtrees Fassungskraft - was zu einem guten Teil auch daran lag, dass Old Mans äußere Erscheinung dieser Unzahl von Jahren Hohn sprach…
    Old Man, so nannten sie ihn alle: den Alten. Wenn er je einen anderen Namen getragen hatte, war der längst in Vergessenheit geraten, ebenso wie seine Stammesabkunft.
    »Beantworte mir eine Frage«, bat Strongtree, den Blick fest in den des Alten ver krallt.
    »Wenn ich kann.«
    »Sind alle, die zu dir kamen, den Weg ganz gegangen - mit Erfolg?«
    Old Man wandte den Blick ab und ging wortlos zur Tür seiner Hütte und hinaus.
    Strongtree, der bislang in eine Ecke der Hütte gelehnt dagesessen hatte, erhob sich. Die Rückenwunde, die ihm der vermeintliche Jäger mit dem Messer beigebracht hatte, schmerzte schon nicht mehr. Spätestens morgen würde nicht einmal mehr eine Narbe zu sehen sein. Nackt, wie er war, folgte er Old Man ins Freie. Nicht weit entfernt rauschte ein Wildbach durch eine Klamm. Das Geräusch rollte wie stetes Donnergrollen heran.
    Die Hütte stand am Rande einer kleinen Lichtung. Am jenseitigen Waldrand duckte sich ein igluförmiger Bau, dessen Grundgerüst aus Ästen bestand, das mit Lehm und Steinen überbaut war. Eine kurze, tunnelartige Öffnung führte ins Innere des kaum mannshohen Kuppelbaus. Schwärze nistete in und hinter diesem Einlass, vollkommene Finsternis, die das Licht des Tages völlig unberührt ließ, als fürchte es sich davor.
    So wie Strongtree diese Dunkelheit fürchtete. Was er sich mit Worten oder Gedanken zwar nicht eingestand, aber er spürte sehr wohl die Angst in seinem Inneren, seinem Herzen vielleicht oder seiner Seele. Oder - war es die des Wolfes?
    Old Man starrte auf den Zugang des Kuppelbaus, und es bedurfte nicht der Kunst des Gedankenlesens, um zu wissen, was er da im Geiste sah: all jene, die er über die Zeit in diesen Bau geführt hatte…
    Als hätte Strongtree seine Frage gerade erst gestellt,

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