0753 - TV-Dämonen
sich im Gespräch zu halten. Dem Affen Zucker zu geben, wie Didier es nannte.
Wenn es nur nicht ausgerechnet Gérard Toulon gewesen wäre.
Der Late-Night-Talker gehörte zu den ganz Großen der Branche. Er sah gut aus, war eloquent und nahm mit seiner zynischen und respektlosen Art Publikum und Kritik gleichermaßen für sich ein. Kurzum, er war einfach widerlich.
Oder er ist mir einfach zu ähnlich, dachte Jean in einem kurzen Anflug von Selbstkritik.
Der TV-Star fingerte einen Zigarillo aus seiner Hosentasche und steckte ihn an. Das brachte ihm mehr als einen missbilligenden Blick der jungen und schönen Menschen um ihn herum ein, die hinter den Kulissen dafür sorgten, dass die Show reibungslos ablief. Es war ihm egal. Jean wusste, dass das Kraut, das er bevorzugte, bei seinen Mitmenschen wahre Übelkeitsanfälle auslöste. Genau deshalb rauchte er es ja.
Er betrachtete auf einem Monitor den Fortgang der Livesendung. Vor ihm standen ein paar Snacks, die er nicht angerührt hatte. Snacks hasste er auch. Überall, wo er hinkam, versuchte man, ihm diese widerlichen kleinen Häppchen aufzudrängen. Willkommen in der bunten Glitzerwelt der Medien, in der alle so tun, als sei das Leben eine einzige Party - und sich dabei am liebsten gegenseitig Rattengift in den Champagner schütten würden. Diese eitlen, rücksichtslosen und doch so naiven Kreaturen hatten ja keine Ahnung, wie die Welt jenseits des Glamours wirklich aussah.
Jean wusste es!
Er hatte die wirkliche Welt hinter den Kulissen gesehen! Eine Welt voller Tod und Verderben.
Gérard Toulon belobhudelte gerade eine Girlyband, die in einer wahnsinnig gehypten Reality-Show unter den Augen des Publikums gecastet worden war und jetzt die Charts stürmte. Jean kannte diesen Typ Band zur Genüge. Hübsche Mädels, die einigermaßen singen konnten und nichts im Kopf hatten, wie er fand. Aber sie passten zur Zeit. Die Popmusik hatte längst alles Rebellische verloren. Sie war nur noch der fröhliche Soundtrack zur Apokalypse.
Eine Assistentin gab ihm ein Zeichen. Jean drückte den Zigarillo lässig in den Snacks aus, was ihm weitere böse Blicke einbrachte.
Die Assistentin führte ihn einen kurzen Gang entlang. Vor der Tür zum Studio blieben sie stehen. Jean konnte den Talkmaster jetzt direkt durch das dünne Holz hören.
»Und jetzt, meine Damen und Herren, machen Sie sich auf etwas gefasst. Für unseren folgenden Gast brauchen Sie Nerven wie Drahtseile. Begrüßen Sie den Fürsten der Finsternis, den König der Albträume - Jean Fournier.«
Das Studiopublikum tobte. Eine unterbezahlte Hilfskraft stieß die Tür auf.
»Viel Vergnügen«, raunte die Assistentin. Es klang hämisch.
Das Scheinwerferlicht blendete Jean. Toulon schüttelte ihm mit aufgesetzter Herzlichkeit die Hand. Wie immer trug er einen betont konservativen Anzug, der einen harten Kontrast zu Fourniers ausgewaschener Jeans und seinem Motorhead-T-Shirt bildete.
»Jean, schön, dass Sie mal vorbeischauen. So ein Leben als Dämonenjäger lässt einem ja sicher wenig Zeit für ein kleines Pläuschchen!«
»Für Sie immer, Gérard«, entgegnete Jean spitz. Er gestand es sich nicht gern ein, aber er fühlte sich unsicher. Dies war nicht sein Terrain. Wenn es dem Talkmaster gelang, ihn vor der Öffentlichkeit lächerlich zu machen, konnte sein Image erheblichen Schaden nehmen. Jean verfluchte Didier.
Ein Auftritt bei Gérard Toulon ist wie ein Ritterschlag, hatte der Produzent behauptet.
Das Schlimmste war, dass er Recht hatte. Aber Toulon war unberechenbar. Während er manchen Gästen fast in den Hintern kroch, machte er andere nach allen Regeln der Kunst fertig. Jean war nicht gewillt, sich das gefallen zu lassen, obwohl Didier ihn fast angefleht hatte, nicht auszurasten, falls der Talkmaster spitze Bemerkungen machte.
Gérard Toulon setzte sein typisches joviales, aber völlig unverbindliches Lächeln auf, als sie Platz nahmen. Der erste Teil des Gesprächs war reines Geplänkel. Toulon wies auf Jeans wachsende Fangemeinde hin und pries das innovative Konzept der Horror-Show.
Dann sagte er unvermittelt: »Unsere Lehrer begeben sich in Lebensgefahr, wenn sie nur zur Arbeit gehen - ganz zu schweigen von den Schülern. Der weltweite Terror nimmt immer weiter zu. Glauben Sie nicht, dass Gewaltorgien wie Die Stunde des Jägers solche kranken Hirne, die dafür verantwortlich sind, erst auf ihre Ideen bringen?«
»Machen Sie den Botschafter nicht für die Botschaft verantwortlich, Gérard. Die
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