0755 - Blutnacht für Assunga
das Schwert mitgenommen hat, wenn sie ging. Wir alle wunderten uns. Hat sie gegen die Vampire gekämpft?«
»Nicht nur das. Carmen hat sie auch getötet.«
So etwas wie Erleichterung durchzuckte das Gesicht der Frau. »Ja, sie ist stark, und sie läßt sich so leicht nichts vormachen. Sie hat eine sehr gute und intensive Erziehung genossen. Carmen ist besser als viele, viele Männer.«
»Leider ist sie nicht mehr hier.«
Mit dieser Bemerkung hatte Suko die Frau überrascht. Staunen schlich sich in ihre Augen. »Wieso ist sie nicht mehr da? Das… das kann doch nicht wahr sein!«
»Leider.«
»Ich begreife es nicht. Sie war noch…«
»Ja, wir waren weg. Wir kamen auch wieder zurück, wollten uns noch in der Halle zusammensetzen, aber Carmen kam leider nicht. Sie war und blieb verschwunden.«
Lorna schüttelte den Kopf. Die zu Locken gedrehten Haare bewegten sich zitternd auf ihrem Kopf.
»Das verstehe ich nicht. Nein, wirklich nicht. Wohin kann sie nur sein? Mitten in der Nacht einfach zu verschwinden. Das ist nicht ihre Art.«
Suko runzelte die Stirn und bemerkte leise: »Kann es nicht sein, daß sie nicht freiwillig verschwunden ist?«
Lorna verstand sehr schnell. Sie preßte zuerst ihr Taschentuch gegen die Lippen. Drei, vier Sekunden blieb sie so sitzen, bevor die Hand wieder sank. Ein scharfer Atemzug drang aus ihrer Nase.
»Wenn nicht freiwillig, dann meinen Sie doch das Gegenteil davon.«
»Stimmt.«
»Sie denken auch… also, Sie denken dann auch an den Vampir, nicht wahr. An ihn, der auch bei mir war.«
»Das kann sein.«
Lorna schloß die Augen. Sie ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken, und Suko schaute zu, wie sich auf ihrem Körper eine dünne Gänsehaut bildete. Er stand auf und ging zu einer Bank, wo zusammengefaltet eine aus dunklem Garn gehäkelte Mantilla lag, die er aufnahm und sie um Lornas Schulter legte.
Die Köchin weinte wieder und schüttelte den Kopf. Vielleicht hätte ich nichts andeuten sollen, dachte Suko, aber er brauchte einfach eine gewisse Klarheit und war erpicht auf jede Zeugenaussage. Doch wie Lorna reagiert hatte, konnte er davon ausgehen, daß sie nichts wußte und auch nichts mitbekommen hatte.
»Nein, ich habe sie nicht gesehen«, sagte sie schließlich. »Den ganzen Abend über nicht.«
»Das dachte ich mir.«
»Sie und Ihr Freund suchen Sie jetzt?«
Suko lächelte krampfhaft. »Natürlich. Wir müssen mit ihr reden und hoffen, daß alles gutgegangen ist. Sie hätten eine Zeugin werden können, auch Manuel, den aber hat es erwischt. Ich möchte Sie fragen, ob noch weitere Menschen hier im Haus leben, an die ich mich wenden kann. Vielleicht haben wir noch eine Chance.«
»Da wäre noch Rojo.«
»Wer ist das, bitte?«
»Unser Gärtner. Auch schon lange hier bei den Cavallos. Aber er schläft nicht im Haus, sondern in seinem eigenen Bereich, denn er hat im Garten eine kleine Behausung, in der er sich wohler fühlt. Ich sehe ihn eigentlich nur zu den Mahlzeiten.«
»Meinen Sie, daß er noch wach ist?«
Lorna schaute auf die Wanduhr. »Mitternacht ist schon vorbei. Rojo ist immer früh auf den Beinen. Ich glaube fest daran, daß er schon schläft.«
»Das würde ich trotzdem gern überprüfen. Hat er Telefon?«
»Ja.«
»Kann ich ihn auch von hier anrufen?«
»Sicher. Die Verbindungen zwischen uns innerhalb des Gebäudes existieren. Sie können auch jederzeit nach draußen telefonieren.«
»Wo ist der Apparat?«
»Hinter Ihnen, Señor.«
Er stand auf dem unteren Teil eines hölzernen Küchenschranks und war Suko bisher nicht aufgefallen. Es war sogar ein tragbares Telefon, daß Suko auf den Tisch stellte. Dann bat er Lorna, mit dem Gärtner ein Gespräch zu führen. »Er kennt Sie. Bei mir würde er wohl nicht ehrlich reagieren.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Fragen Sie ihn einfach, ob alles in Ordnung ist und ob er etwas gesehen hat, was ihm negativ aufgefallen ist.«
Sie zögerte noch. »Das wird ihm kaum gefallen, und er wird mir auch Fragen stellen.«
»Dann übernehme ich das Gespräch, aber wir müssen alle Möglichkeiten durchgehen.«
»Das sehe ich ein«, sagte die Köchin, als sie die drei Zahlen eintippte.
Suko war sehr froh, daß sich Lorna wieder gefangen hatte. Zwar war sie noch nicht richtig auf der Höhe, aber sie spielte gut mit. Sie saß direkt vor Suko, hatte den Hörer gegen ihr Ohr gepreßt, lauschte dem Freizeichen und wartete gespannt darauf, daß sich der andere Teilnehmer endlich meldete. Er tat es auch, und Suko
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