0755 - Blutnacht für Assunga
Menschen nicht verglichen werden. Sie waren um ein nicht zählbares Maß höher.
Carmen Cavallo hatte keine Chance.
Ich sah ihr bleiches Gesicht etwa zwischen dem Hals und der Schulter des Blutsaugers. Mallmanns Fratze schwebte darüber. Das D auf seiner Stirn leuchtete, als wäre es mit frischem Blut begossen worden, und sein Mund war so weit verzogen, daß die spitzen Hauer wie kleine Speerspitzen hervorlugten.
»Da siehst du sie, Sinclair!« knirschte er und zerrte seine Beute bis dicht an den Rand der Fensterbank heran. »Was willst du noch, Geisterjäger?«
»Sehen, ob sie tatsächlich noch nicht zu deinen Vasallen gehört.«
Weshalb der Blutsauger unter mir plötzlich kicherte, wußte ich nicht. Spaß konnte er bestimmt nicht haben, aber Mallmann lachte auch, bevor er sagte: »Du bist verdammt mißtrauisch, Sinclair.«
»Bei dir immer!«
»Gut, du sollst auch diesen deinen Willen haben!«
Ich wartete ab und schaute zu, wie der mächtige Blutsauger Carmen befahl, ihren Mund so weit wie möglich aufzureißen. Für einen nicht eingeweihten Beobachter wäre es eine lächerliche Situation gewesen, für mich und die Geisel war es blutiger Ernst.
Carmen tat mir leid, als sie vor Schmerz aufstöhnte, aber da mußte sie einfach durch, auch wenn Mallmann sehr rauh mit ihr umging. Immer noch besser, als den tödlichen Vampirbiß zu bekommen.
»Du kannst es sehen, Sinclair! Du kannst es noch sehen!« Er wandte sich wieder an seine Geisel.
»Los, klapp dein Maul auf! Laß ihn sehen, was mit dir passiert ist.«
Carmen öffnete den Mund so weit wie möglich. Ich wäre gern näher an sie herangekommen, den Wunsch verkniff ich mir, denn dann wiederum hätte ich den Blutsauger unter mir mitzerren müssen, und das wollte ich auf keinen Fall.
Der Vampir drehte sie etwas. Mein Blick fiel von der Seite her in ihren Mund. Ich sah die beiden Zahnreihen darin schimmern, aber keine Vampirhauer. Es war nur ein kleiner Stein, der mir vom Herzen fiel, aber immerhin einer.
»Sind Sie okay, Carmen?« sprach ich sie an.
Sie nickte.
»Bist auch du zufrieden, Sinclair?« fragte mich Mallmann und hatte nichts dagegen, daß Carmen ihren Mund wieder schloß.
»Einigermaßen.«
»Du enttäuschst mich.«
»Ich will, daß du sie freiläßt, Mallmann!«
»Und du meinen Freund!«
»Gleich.« Ich lächelte kalt. »Es liegen da noch einige Fragen offen, die ich gern beantwortet hätte.«
Der Super-Vampir zerrte sein Opfer wieder näher zu sich heran und preßte es gegen seinen Körper.
Diese Geste zeigte, daß er nicht gewillt war, Carmen so einfach loszulassen. »Aus dir spricht der Polizist, John. Ich nehme es dir nicht übel, das war ich selbst einmal. Ich weiß, welche Sorgen dich außerdem bedrücken.«
»Wie schön. Dann könnte ich auch Antworten erhalten.«
»Frag nur.«
»Ja - gern. Daß wir zusammenstießen, war so etwas wie Zufall. Aber was führte dich konkret her? Das hätte ich gern gewußt. Weshalb bist du gekommen?«
»Muß ich dir das wirklich sagen?«
»Ich kann auch raten. Dir kam es auf die uralten, halbverwesten maurischen Vampire an.«
»Exakt.«
»War das nicht lächerlich?«
»Nein, nicht für mich. Ich habe erfahren, daß es sie noch gibt. Du kennst meine Pläne. Ich bin dabei, mir überall Unterstützung zu holen. Ich denke nicht mehr nur landesweit. Ich will, daß mir die ganze Welt gehört. All die Vampire, die sich irgendwo herumtreiben, die es dort noch gibt, sie sollen nicht nur mir gehorchen, sie sollen auch mir gehören, mich anerkennen.«
»Das Weltreich der Blutsauger.«
»So ist es, Sinclair. Und ich habe schon einige Akzente setzen können, von denen du nichts weißt. Ich war nicht untätig, aber es wird noch etwas dauern, bis ich ein weltumspannendes Netz geflochten habe, um mich darüber als Herrscher auf den Thron zu schwingen. Ob Spanien, ob Afrika oder Asien, es existieren für mich, den König der Vampire, keine Grenzen mehr. Ich weiß, daß ich durchkommen werde, und es wird niemand geben, der mich da stoppen kann. Nicht im Ganzen. Man kann mir Nadelstiche beibringen, man kann hin und wieder einen Faden des Netzes zerreißen, deshalb aber wird es nicht zusammenbrechen.«
»Hier ist es schon zusammengebrochen, Mallmann!«
»Ich weiß. Deshalb habe ich mich auch persönlich um das Problem gekümmert. Diese Frau hier hat es versucht. Sie entdeckte meine Freunde und köpfte sie. Das wollte mir nicht gefallen. Ich werde mich dafür rächen, ich rechne mit ihr ab, das schwöre ich
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