0756 - Der Kopfjäger des Spuks
mitgebracht hatte.
Wenn Sir James an ihn dachte, bekam er doch einen leichten Schauer. Er spürte sogar ein Zucken am Hals, als wären unsichtbare, spitze Zähne dabei, seine Haut anzuknabbern.
Die Schatten nahmen sie auf.
Andere Geräusche durchbrachen die Stille. Das Tuten der Schiffssirenen klang lauter. Er glaubte auch, das Rauschen der Wellen zu hören, und wenig später nahm ihm kein Baum mehr die Sicht auf die Themse.
Schwerfällig wälzte sie sich durch das Bett. Ein im Sonnenlicht gleißender heller Strom mit irisierenden Reflexen auf der Oberfläche, wirbelnden Wellen und kreisenden Strudeln.
Ein Zaun grenzte das Gelände ab. Dahinter lagen die Uferwiesen, durchschnitten von einer schmalen Straße, mehr ein breiter Feldweg, der auch als Parkplatz genutzt wurde. Bei diesem Wetter hatte es zahlreiche Londoner in die Nähe des Flusses getrieben, wo sie den kühlen Wind genossen und hin und wieder ein Bad in den grauen Fluten nahmen. Am anderen Ufer zeichnete sich die Stadtkulisse von London ab.
Dunst schwebte über dem Wasser. Schiffe zogen ruhig ihre Bahnen. Manche von ihnen lagen sehr tief im Wasser.
Nahe der Uferzonen hatten sich Surfer auf das Wasser getraut und zogen ihre Kreise. Auf den Wiesen lagen Familien neben halbnackten Singles oder Pärchen. Alle Hautfarben waren vertreten. Die lauten Stimmen der Menschen wurden vom Rauschen des Flusswassers immer wieder übertönt.
Sir James fragte sich, was Assunga vorhatte. Ihr musste auch klar sein, dass er nach einem Ausweg suchen würde, und großes Aufsehen konnte sie sich nicht leisten.
Am besten gelang eine derartige Entführung durch ein Fahrzeug. Davon parkten genügend auf dem Weg.
Assunga holte ihn plötzlich ein und blieb an seiner rechten Seite. »Nur weitergehen, Sir, kein Aufsehen erregen…«
»Sehr gern.«
»Sie lügen.«
»Warum?«
»Weil Sie Angst haben, Mister. Sie zittern vor Angst. Würde ich an Ihrer Stelle auch, denn ich bin bewaffnet. Es ist zwar nur ein Messer, das ich habe, aber damit schneide ich ihnen auch noch den Kopf ab. Eine kleine Erinnerung an Carmen Cavallo.«
»Vergessen Sie diese Frau. Sie lebt nicht mehr. Sie haben doch indirekt erreicht, was Sie wollten.«
»Das schon, aber ich habe meinen Preis zahlen müssen.«
»Sie denken an den Mantel?«
»Richtig.«
»Ist er für Sie so wichtig?«
»Mehr als das, Sir James. Viel mehr. Der Mantel hat mir alles gegeben, besonders die Macht. Und genau sie ist es, die auch von Mallmann akzeptiert wird.«
»Deshalb also hat er Sie bei sich behalten.«
»Es war ein Grund mit.«
»Und er befindet sich sicherlich auch in der Nähe. Davon gehe ich einmal aus.«
»Das können sie.«
Das Gras war dünner geworden. An manchen Stellen war es auch völlig verschwunden, von zahlreichen Füßen zertrampelt, und die graubraunen Flecken sahen aus wie schmutzige Teppiche.
Nicht alle Besucher hatten sich ausgezogen. So fielen Sir James und Assunga nicht einmal auf. Sie noch weniger als er, denn die Hexe trug eine bequeme Kleidung, ein blaues Sweatshirt und eine schwarze Sommerjeans. Ihre Füße steckten in Turnschuhen.
Sir James hatte Assunga zum ersten Mal aus der Nähe sehen können und musste zugeben, dass sie sehr attraktiv war. Das schmale Gesicht mit der glatten Haut und den etwas herausfordernden Zügen.
Dann die dunklen Augen, hinzu kam das rötlich schimmernde Haar, das den Kopf sehr dicht und stark umwuchs.
Sie ging schneller. Ihre linke Hand drückte sie gegen den Rücken des Mannes und zog ihn mit. Warum sie es plötzlich so eilig hatte, wusste er nicht und erhielt auch von Assunga keine Erklärung. Dafür sah er das Ziel, und es war tatsächlich ein auf dem Weg abgestellter Wagen. Allerdings ein Transporter mit geschlossener Ladefläche. Den Grund dafür konnte sich Sir James sehr gut vorstellen. Niemand sollte erfahren, was sich auf der Ladefläche befand.
Das Fahrzeug parkte etwas schräg, mit der Kühlerschnauze zum Weg hin. Wer abfahren wollte, der musste nicht erst lange rangieren, sondern konnte sofort losdüsen.
Vor den beiden hinteren Türen der Ladefläche blieben sie stehen. Assunga klopfte einmal lang und zweimal kurz gegen das Blech, dann drehte sie ihre andere Hand und drückte die Spitze des Messers gegen die Hüfte ihrer Geisel.
»Es stößt durch bis in deine Niere hinein!«, flüsterte sie.
»Ja, das kann ich mir denken.«
»Verhalte dich also ruhig.«
Das Klopfen hatte Erfolg gehabt. Von innen her wurde die hintere Ladetür geöffnet.
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