0756 - Der Kopfjäger des Spuks
kam immer mehr zu dem Schluss, dass es sich hierbei nur um den Spuk handeln konnte.
Ich erhielt die Bestätigung. Aus der Wolke hörte ich die kalte, emotionslose Stimme, die eigentlich nichts über den Sprecher aussagte, mir jedoch die Gewissheit gab, dass es der Spuk war.
»Willkommen in meinem Reich, Geisterjäger! Mit deinen Besuch hätte ich nie gerechnet…«
***
Ich auch nicht, wenn ich ehrlich war. Das wollte ich ihm sagen, doch meine Stimme versagte. Das Gehirn glücklicherweise nicht, so dachte ich über seine ungewöhnliche Begrüßung nach.
Er hatte von seinem Reich gesprochen, das wiederum konnte ich nicht akzeptieren. Es war nicht sein Reich, denn sein Reich oder seine Welt sahen anders aus.
Sie schwebte über mir. Sie bestand aus einer kompakten Schwärze, in die sich nie ein Lichtstrahl verirrte, denn der Spuk dokumentierte allein durch sein Aussehen die andere, die finstere und unheimliche Seite des Lebens.
Wieso war das hier seine Welt? Diese graue Ebene, die einen Menschen so traurig und verloren machen konnte? Das musste er mir erklären. Wir kannten uns gut genug, um ein Frage-und-Antwort-Spiel zu beginnen, aber der Spuk wollte nicht so recht, denn er hielt für mich die zweite Überraschung bereit.
»Du bist in meiner Welt, John Sinclair, aber du wunderst dich trotzdem, wie ich dir ansehe. Du begreifst es nicht, du kennst nur die Schwärze, mehr nicht, aber du trägst den Mantel, und der wiederum verändert doch einiges.«
»Das habe ich bemerkt. Nur frage ich mich, was er da verändert hat. Etwa deine Welt?«
»Nein, die ist geblieben.«
»Was dann?«
»Die Zeit, Geisterjäger.«
Ich war nicht in der Lage, es zu begreifen. »Zeit?«, murmelte ich. »Existiert in einer anderen Dimension überhaupt eine Zeit?«
»Nein, nicht direkt. Aber wer sagt dir denn, dass du dich in einer anderen Dimension befindest?«
Ich verdrehte die Augen. Verdammt, es wurde immer komplizierter. »Wenn das nicht zutrifft, Spuk, dann müsste ich mich noch in meiner Welt und in meiner…«
»In deiner Welt schon, Geisterjäger.«
»Wie nett - und weiter?« Ich starrte auf die schwarze Masse und wusste, dass aus ihr die alles entscheidende Antwort hervordringen würde. Der Spuk ließ etwas Zeit verstreichen. Innerhalb der amorphen Schwärze bewegte und veränderte er sich, sodass ich sein Markenzeichen erkennen konnte: das rot glühende Augenpaar.
»In deiner Welt schon, John Sinclair. Aber nicht mehr in deiner Zeit. Dieser Mantel hat dich weit, weit in die Zukunft getragen. In eine Zukunft, die du als normaler Mensch nicht mehr erleben wirst…«
***
Sir James Powell hatte das Beste getan, was in seiner Lage möglich war. Er war auf die Bedingungen der Frau eingegangen und hatte sich nur noch einmal nach dem Namen erkundigt.
Es war Assunga, die Hexe!
Das hatte ihn nicht überrascht, er war auch sehr ruhig geblieben und hatte sich nur erkundigt, wie es weitergehen sollte.
»Wir werden von hier verschwinden, Sir!«
»Damit habe ich sehr wohl gerechnet«, murmelte der Superintendent.
»Wie nett.«
Sir James schwieg. Er blieb nahezu gelassen, denn er gehörte zu den Menschen, die es fertig brachten, sich in gewisse Situationen sehr schnell einzufügen. Er sah im Moment keine Chance, etwas zu unternehmen, und stemmte sich aus dem Sessel hoch.
Sein Blick glitt nach vorn.
Die Landschaft und Umgebung war dieselbe geblieben. Dennoch kam sie ihm verändert vor. Sie schien sich verdüstert zu haben, das Licht schien nicht mehr so hell, dafür hatten sich die Schatten ausgebreitet und waren zu kleinen Teppichen geworden, die sich an den Rändern überlappten. Das Clubhaus lag hinter ihm. Dort befand sich auch das Personal, sicherlich zusammen mit anderen Gästen. Ob die jedoch unbedingt nach draußen schauen wollten, stand in den Sternen. Die würden sich um ihre eigenen Probleme kümmern und nicht um die Vorgänge, die an der anderen Seite des Clubhauses passierten.
Der Rasen war weich. Er wurde hervorragend gepflegt. Die Hexe dirigierte ihre Geisel über den grünen Teppich hinweg, und beide schlugen den Weg zum Flussufer hin ein.
»Wenn du dich umdrehst, bist du verloren!« Assunga hatte ihre Stimme zu einem Flüstern gesenkt, aber die Worte waren deutlich genug, und Sir James nickte.
Er konnte sich vorstellen, dass sie eine Waffe in der Hand hielt, doch darüber wollte er nicht nachdenken. Wichtiger war, wohin sie ihn bringen würde und ob sie allein war und nicht Will Mallmann, den Vampir,
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