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0756 - Tod über der Tunguska

0756 - Tod über der Tunguska

Titel: 0756 - Tod über der Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Clement
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den Lärchen- und Tannenstämmen, die seit vielen hundert Jahren dort stehen mochten.
    Nicole warf einen Blick auf das Gewässer.
    »Ist das die Steinige Tunguska?«
    »Ja.« Thaagus Mongolengesicht zeigte keine Regung. »Hier wird sich die unvorstellbare Katastrophe ereignen, von der ich dir erzählt habe.«
    Nicole schaute sich um.
    Noch war nichts von einer Gefahr zu entdecken. Aber warum auch?
    Die Französin hatte sich eingehend über die Tunguska-Katastrophe informiert. Das Grauen kam exakt am 30. Juni 1908 um 7 Uhr 17 und elf Sekunden Ortszeit über die Welt. Und momentan, während sie ihre Blicke über die Tunguska schweifen ließ, war es später Nachmittag. Jedenfalls, wenn man dem Stand der Sonne trauen konnte.
    Während Nicole sich noch orientierte, werkelte der Schamane mit einigen geheimnisvollen Gegenständen herum. Einer davon sah aus wie eine seltsam verkrümmte Schere. Thaagu hieb damit einfach nur in die Luft.
    Nicole bemerkte, wie aus dem Nichts kleine Blüten entstanden. Sie entsprossen dort, wo der Schamane mit seinem Schneidewerkzeug in der Luft herumgefuchtelt hatte.
    Ihr interessierter Blick entging Thaagu nicht.
    »Das sind Paja-Blüten, Nicole. Hast du jemals davon gehört?«
    Die Dämonenjägerin schüttelte den Kopf.
    »Es sind die erstaunlichsten Pflanzen des Universums! Komm doch einmal näher, dann zeige ich sie dir!«
    Erstaunlichste Pflanzen des Universums? Da kennst du wohl die Regenbogenblumen noch nicht, sagte Nicole in Gedanken zu dem alten Schamanen.
    Sie ging auf ihn zu. Und das war ein Fehler. Allerdings erkannte Nicole das erst, als es schon zu spät war.
    Der Schamane warf ihr eine der Blüten entgegen. Plötzlich wurde die Pflanze so groß wie ein Rentier. Nicole griff nach dem Amulett, aber es reagierte nicht. Und während betäubende Düfte aus dem Kelch drangen und die Französin das Bewusstsein verlieren ließen, erkannte sie auch den Grund für die Passivität von Merlins Stern.
    Der Blütenduft-Zauber war offenbar magisch neutral. Und da Nicole selbst auf der Seite des Guten stand, verteidigte das Amulett sie nur gegen böse Magie.
    Und der Schamane? Stand er auf der Seite der Schwarzblütigen? Warum hatte er Nicole so plötzlich und heimtückisch angegriffen? Wenn er sie vernichten wollte, hätte er das schon in der Transsibirischen Eisenbahn versuchen können…
    Diese und ähnliche Gedankenfetzen schossen der Dämonenjägerin durch den Kopf, während sie in eine tiefe, komaähnliche Ohnmacht sank.
    Nicole bekam nicht mehr mit, wie die knorrigen Finger des Alten begehrlich nach dem Amulett griffen…
    ***
    Straflager 252, Region Tunguska, Sibirien, Russland, Juni 1908
    Oleg Petrow hatte wieder Strafdienst. Er reinigte den Exerzierhof des Straflagers. Das war allerdings eine ziemlich unerfüllbare Aufgabe. Denn erstens wehte der Gebirgswind immer wieder Tannennadeln oder gar Staub aus der entfernten Wüste Gobi herein.
    Und zweitens stand dem Anarchisten für seine Arbeit nur eine Zahnbürste zur Verfügung!
    Fluchend kauerte Oleg auf seinen immer noch schmerzenden Knien und entfernte mit den Zahnbürstenborsten den Staub, so gut es ging.
    »Keine Gotteslästerungen!«, ermahnte lachend der Wächter, der mit vorgehaltener Waffe die Schinderei überwachte. »Sonst wird deine Strafe verlängert!«
    »Nein, keine Lästerungen, bei allen Hafenhuren Odessas!«
    Die Wache überlegte. Dann entschied sie großmütig, dass dies wohl keine zu beanstandende Flucherei war. Und Oleg dachte wieder einmal an Flucht, während er scheinbar unverdrossen den Boden fegte.
    Die Blicke des Gefangenen schweiften über die vier Wachttürme, die sich an den Ecken des Lagers befanden. Sie waren so hoch, dass man von ihren Plattformen aus das Land vermutlich innerhalb eines Radius von fünf Quadratwerst überwachen konnte. Andererseits war das Lager größtenteils von dichtem Wald umgeben.
    Wenn man es erst einmal geschafft hatte, den Zaun zu überwinden…
    Oleg blickte auf, als Hufschlag ertönte. Eine gute Fluchtmöglichkeit wäre es, sich einfach an Bord eines Wagens zu schmuggeln. Daher betrachtete Oleg die seltenen Besuche von Fuhrwerken in dem Straflager als besondere Chance.
    Doch in diesem Fall war er enttäuscht, noch bevor der Wagen gänzlich das Tor passiert hatte.
    Das war allerdings auch kein Wunder.
    Denn das von zwei Transportpferden gezogene Fahrzeug war der Gefangenentransporter. Derselbe Sarg auf vier Rädern, in dem man auch Oleg in das Straflager geschafft

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