0758 - Die Katzenfrau
Ausnahme und mußte sich eingestehen, daß die Bowle sehr gut schmeckte.
»Nun, Sir…?«
Er stellte sein Glas ab, setzte sich wieder gerade hin und nickte. »Das ist schon ein Genuß gewesen.«
»Danke sehr. Ich habe auch ein Spezialrezept entwickelt. Ich stelle die Bowle aus Kräutern her, die in meinem Garten wachsen. Groß genug ist er ja, auch wenn er verwildert aussieht, aber ich mag ihn.« Sie sprach sehr schnell, ohne Punkt und Komma und redete auch davon, wie wohl sich ihre Katzen in diesem Garten fühlten.
»Wie viele haben Sie denn?«
Rena Mitchell winkte ab. »Ich kann sie manchmal nicht zählen. Fünf gehören mir, aber es kommen immer wieder welche aus der Nachbarschaft hinzu, denn die Tiere wissen sehr genau, wie gut sie bei mir aufgehoben sind. Man kann mich auch als Katzenmutter ansehen. Ich bin froh, daß mir das Haus meiner Großeltern gehört und ich hier in Ruhe leben kann.«
Sir James kam auf einem Umweg auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Wie ich anhand der Bilder und Fotos erkennen konnte, hat auch Ihre Tochter Katzen gemocht.«
»Und wie.« Rena nickte. »Sie war vernarrt in die Tiere, und umgekehrt war es ebenso.«
»Ja«, flüsterte Sir James. »Es tut mir halt leid, daß ich mich zu dieser Tat habe hinreißen lassen. Ich weiß, daß es nicht wieder gutzumachen ist, aber ich war in diesen Augenblicken, die ich als die schrecklichsten meines Lebens bezeichne, nicht mehr ich selbst, wenn Sie verstehen, Mrs. Mitchell.«
Sie räusperte sich. »Nein, Sir, so recht verstehe ich das nicht. Da müßten Sie schon deutlicher werden.«
Er hob den Blick und schaute sie an. Die Augen der Frau waren zwar dieselben geblieben, sie hatten sich trotzdem verengt und sahen nur mehr aus wie Schlitze. Dabei erinnerten sie sehr wohl an die Augen von Katzen. Tatsächlich hatte diese Person etwas Katzenhaftes bekommen, und Sir James fühlte sich plötzlich unwohl. Ein kühler Schauer glitt über seine Haut.
Das hatte Mrs. Mitchell wohl bemerkt. Sofort entspannte sich ihr Gesicht wieder, sie lächelte sogar.
Dann sagte sie: »Ja, die Katzen werden Ginger sehr vermissen. Einige von ihnen hat sie großgezogen, und sie trauern bereits.«
Die schlichten Worte trafen Sir James schon hart. Er suchte nach Worten und fragte schließlich:
»Was war Ihre Tochter denn für ein Mensch? Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will Sie nicht quälen, aber ich muß einfach mit Ihnen darüber reden, denn ich habe Ginger schließlich getötet.«
Renas Nasenflügel zitterten leicht, als sie die nächste Frage stellte. »Einfach so?«
»Ja! Ich habe sie einfach so getötet. Ich sah zahlreiche Gesichter, ich hatte eine Waffe, ich hob sie an, ich schoß, und Ihre Tochter brach tot zusammen. Ich hätte auch noch mehrere Menschen getötet, glaube ich, wenn man mich nicht daran gehindert hätte. Aber dazu ist es zum Glück nicht gekommen.«
»Warum taten Sie es, Sir?«
»Das kann ich Ihnen kaum erklären. Können Sie sich vorstellen, daß ich beeinflußt worden war?«
»Ach ja? Von wem denn?«
»Von einer fremden, von einer anderen Macht, die es auch gibt. Ich weiß nicht, ob Sie mir da folgen können, Mrs. Mitchell aber es gibt fremde Mächte, die es tatsächlich schaffen, Einfluß über uns zu bekommen. Das ist ein Phänomen, das wir manchmal hinnehmen müssen, wenn bestimmte Konstellationen eingetreten sind.«
Rena nickte, erklärte aber gleichzeitig, daß sie nichts begriffen hatte. Sie wollte wissen, welche Mächte es gewesen sind, die Sir James beeinflußt hatten.
Seine Kehle war trocken geworden. Er mußte zuvor einen Schluck Bowle trinken. »Es war eine furchtbare, dämonische Macht, die aus einer anderen Welt kam und uns Menschen packte. In diesem Falle war ich das Opfer, und ich konnte mich nicht dagegen wehren, so sehr ich es auch noch versucht habe.«
Rena lächelte. Sie senkte ihren Kopf. Sekundenlang entstand zwischen ihnen eine tiefe und bedrückende Schweigepause. »Dann glauben Sie an diese fremde Macht?«
»Ich habe sie selbst erlebt!«
»Schon öfter? Oder war das Ihre erste Tat, die Sie auf diese Art und Weise begangen haben?«
»Meine erste.«
»Und Sie sind von einem Dämon geleitet worden?«
»So war es.«
»Hm.« Rena Mitchell hob den Kopf an und streckte zwei Finger der rechten Hand in die Höhe. Die Kuppen drückte sie unter ihr Kinn. Ihre dunklen, glatten Augenbrauen zogen sich zusammen, und für einen Moment huschte eine sehr dünne, aber breite Zunge aus dem Mund und
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