076 - Die Nacht der Zombies
Brille, die an den Seiten geschlossen war. Coco hatte ihn in der Umgebung Olivaros gesehen und wußte, weshalb er diese Brille trug. Er war ein Dämon und hatte keine Augen. In den leeren schwarzen Höhlen lauerten Finsternis und Grauen.
Er deutete eine leichte Verbeugung an.
„Ich hörte, daß Sie im Fort waren und aufgebrochen sind", sagte er mit heiserer Stimme.
Seine Nähe war Coco, die sich mit allerlei Dämonen auskannte, unheimlich. Furchtbare Dinge wurden über den Auglosen in der Schwarzen Familie erzählt.
„Olivaro hat mir aufgetragen, mich ein wenig um Sie zu kümmern. Wenn Sie wollen, können Sie die Insel mit mir verlassen."
Coco schüttelte den Kopf. „Danke, ich bleibe."
„Ist das Ihr letztes Wort? Wie Sie wissen, bin ich der, den man im Mittelalter Gevatter Tod nannte, der Seuchendämon, der mit der Pest einherzog. Das waren meine wilden Jahre." Er lachte hohl. „Ich kann einen Menschen durch den Blick meiner leeren Höhlen mit der Pest infizieren und vieles mehr. Aber nicht einmal ich möchte auf dieser Insel bleiben, wenn Papaloa Boumbas Zombieheer Jagd macht auf Dämonen und Menschen."
„Ich bleibe", sagte sie fest.
Wieder deutete der Seuchendämon eine altmodische leichte Verbeugung an. „Wie Sie wollen."
Er stieg ins Taxi zu dem ahnungslosen Chauffeur und fuhr davon.
Der Seuchendämon gehörte zu denen in der Schwarzen Familie, die selten in Erscheinung traten. Gerade sie waren die Fürchterlichsten, und man munkelte, daß viele von ihnen mit normalen Dämonen kaum noch etwas oder überhaupt nichts mehr gemein hatten; daß sie schlimmer und scheußlicher und grauenvoller waren, als selbst dämonische Vorstellungskraft sich auszumalen vermochte. Coco war froh, dem Blick des Seuchendämons entronnnen zu sein. Sie hob ihren schweren Koffer hoch, der neben ihren Kleidungsstücken und Toilettenartikeln auch Dämonenbanner, Amulette und ein paar gnostische Gemmen sowie einen silbernen Dolch enthielt; außerdem noch eine lautlose Waffe: ein kleines Blasrohr, das Silberpfeile verschoß. Das Blasrohr war aus Kunststoff. Die Silberpfeile hatte Coco bei einem Juwelier in London anfertigen lassen, in der Carnaby Street.
Bei den Verkaufsständen und -buden der Magiekrämer und Okkulthändler herrschte Unruhe. Es waren kaum Kunden da. Ein paar Magier und Hexen, die nicht der Schwarzen Familie angehörten, standen in einer Gruppe zusammen.
Menschen, die sich mit Magie, Hexerei, Zauberei oder dem Okkulten beschäftigten, bildeten den Hauptkontingent der Kongreßbesucher. Sie wohnten meistens in der Stadt. Viele von ihnen waren Spinner und Stümper, aber manche recht gute oder sogar beachtliche Amateure der Magie.
Coco trat für ein paar Augenblicke zu der Gruppe.
„Eine regelrechte Flucht von der Insel hat eingesetzt", sagte eine verrunzelte alte Amerikanerin mit rotgefärbtem Haar. „Etwas geht hier vor - und nichts Gutes."
„Sollen wir nicht auch die Insel verlassen, Tante Mae?" fragte eine bildhübsche junge Brünette, die neben ihr stand, gleichfalls unverkennbar eine Amerikanerin.
„Aber ich denke nicht daran, liebste Constance. Wir bleiben. Dann haben wir unserem Hexenzirkel zu Hause in Brooklyn später etwas zu erzählen. Ich finde ohnehin, dieser Magiekongreß hielt bei weitem nicht das, was die Reklame und Vorankündigungen versprachen. Es waren viele Dilettanten, Außenseiter und Schaulustige da dieses Jahr. Die Vorführungen und Vorträge - na ja, da habe ich auch schon Besseres gesehen und gehört."
Wenn du wüßtest, was hinter den Kulissen vorgegangen ist, dachte Coco.
Ein Eskimoschamane, der in seinen Shorts und dem farbenfrohen Buschhemd wie verkleidet aussah, erregte sich in gebrochenem Französisch: „Warum ich habe weites Weg gemacht? Sollte sich heute sein letzter Tag von Magiekongreß und großer feierlicher Abschluß - Krönung. Aber was sein? Nichts. Guulf de Sylvain sein nicht da, und nichts finden statt."
„Die Frage ist, ob wir auch schon abreisen sollen oder ob wir hierbleiben", sagte ein rauschebärtiger holländischer Magier aus Surinam.
„Ich für meinen Teil habe nicht die weite Reise gemacht, um sang- und klanglos wieder nach Hause abzudampfen", sagte die alte amerikanische Hexe aus Brooklyn. „Ich will sehen, was hier los ist." „Wenn das Kongreßkomitee ausgefallen ist, dann machen wir doch einfach unser eigenes Programm", schlug ein schwarzhaariger agiler kleiner Mann mit einem Bärtchen vor, den Coco gleich für einen Franzosen hielt.
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