0762 - Die Prinzessin aus der Urzeit
ich mir denken.«
»Wir akzeptieren Nefret. Henoch hat ihr das Leben gegeben. Die Kräfte des Himmels haben ihn unterstützt, und er hat Nefret für ewig gemacht. Deshalb werden wir sie auch akzeptieren und keinen anderen, auch wenn dieser es mit Gewalt, Mord und Terror versucht.«
»Wie Kiriakis.«
»Ja.«
Ich lächelte, obwohl die Psychonauten es nicht sahen und mir eigentlich auch nicht danach zumute war. »Ihr solltet ihn nicht aus euren Plänen herausdrücken. Kiriakis weiß genau, was er will. Und er besitzt vier Trümpfe, die dritten Augen. In ihnen ist das Wissen gespeichert. Ich weiß nicht, ob er es schafft, das herauszufiltern, aber ich befürchte, daß er euch durch seine Beute auf der Spur bleiben kann, die ihn durch eure Verbindung letztendlich auch zu Nefret führt, was ja sein großes Ziel ist. Das gebe ich zu bedenken.«
»Wir wissen es.«
»Und was tut ihr dagegen?«
Sie schwiegen. Für mich ein Zeichen, daß sie sich noch nicht zu einer Linie hatten zusammenfinden können. Die Psychonauten waren keine Killer, sie gehörten nicht zu den brutalen Menschen, die andere töteten. Sie hatten nur das Pech, von anderen verfolgt zu werden, um letztendlich ihre Geheimnisse preiszugeben. Sie waren, mächtig, aber sie konnten ihre Macht nicht einsetzen, weil sie das Gewissen der normalen Menschen hatten.
Sie steckten also in einer Zwickmühle.
Ich schwieg, weil ich mir weitere Erklärungen von ihnen erhoffte, und ich wollte ihnen Zeit zum Nachdenken geben. Was ich dann zu hören bekam, empfand ich mehr als flau.
»Wir erfuhren, daß Kiriakis zurückgeschlagen wurde.«
»Richtig, aber das hat nichts zu bedeuten, obwohl wir dafür die Verantwortung trugen. Kiriakis konnte fliehen. Er war schneller als wir und stieg in seinen Hubschrauber. Ich weiß nicht, wo er sich aufhält, doch er wird bereits seine Fäden gezogen haben, und ich kann mir sehr gut vorstellen, daß ihm unser Aufenthaltsort bereits bekannt ist. Bei seinen Beziehungen ist das ein Leichtes. Wir sitzen zwar nicht in der Klemme, aber wir sollten trotzdem keine Zeit verlieren.«
Das sahen sie ebenso. Sie überließen aber mir die Fortführung des Gesprächs. Ihr Sprecher stellte nur eine Frage: »Was schlägst du deshalb vor?«
»Vorschlagen ist gut. Ihr habt mich in die Falle gelockt, was mir verständlicherweise wenig gefällt. Ich würde gern zurückgehen und mich mit meinen Freunden besprechen. Allein stehe ich nicht.«
»Das ist gut.«
Ich stand auf. Niemand hatte etwas dagegen. Als ich stand, konnte ich sie trotzdem nicht besser erkennen, denn nach wie vor standen nur die dritten Augen im Vordergrund. Ich klopfte mir meine Kleidung ab und erkundigte mich nach einem zweiten Ausgang, weil ich nicht mehr eine glatte Rutsche hochging.
»Du wirst ihn schon sehen.«
»Das ist gut.«
»Aber da wäre doch etwas«, sagte der Psychonaut. »Wir werden nicht allein bleiben, schätze ich. Denn wir alle wissen, daß sie zu uns gehört. Sie wird uns finden.«
»Sprecht ihr von Nefret?«
»Ja, von wem sonst? Sie wird nicht bei ihrem Retter bleiben wollen, weil sie eben die andere große Aufgabe übernommen hat, uns das alte Wissen zu lehren. Sie will es nicht für sich behalten, es soll aufgeteilt werden. Jeder von uns muß daran teilhaben, das sind wir unserem Schicksal und auch unserer Herkunft schuldig. Auch wenn es auf diesem Weg Schwierigkeiten geben wird und wir Kiriakis, den Mörder, keineswegs vergessen haben. Doch wir werden erstarken, und wir werden es mit Nefrets Hilfe schaffen, ihn zu besiegen.«
Derartige Worte hatte ich nicht oft aus dem Munde eines Psychonauten vernommen. Zumeist hatte ich sie als verunsicherte Menschen kennengelernt, die eigentlich nichts mit ihrer Herkunft so recht anfangen konnten und sich lieber versteckt hielten.
Sie hatten ein gewisses Selbstbewußtsein zurückerhalten. Das wiederum konnte ich Nefret hoch anrechnen.
Ich nickte ihnen zu. »Damit bin ich einverstanden. Ihr gehört zu ihr, sie gehört zu euch. Ich will euch nur noch eine Frage stellen, bevor ich dann gehe. Habt ihr sie schon einmal gesehen?«
»Nein, nie.«
»Dann könnt ihr auch nicht wissen, wie sie aussieht. Nefret ist ein Mensch, aber sie wirkt nicht wie ein Mensch. Sie erinnert mehr an eine Statue. Sie ist mit dem Öl des Lebens eingerieben worden, und ihre Haut hat eine goldene Farbe bekommen. Sie war bereits damals für das Begräbnis vorbereitet gewesen, deshalb hat man sie so golden angestrichen. Man wollte sie für die
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