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0763 - Strigen-Grauen

0763 - Strigen-Grauen

Titel: 0763 - Strigen-Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Kopf.«
    »Die Wange?«
    »Ja.«
    »Kein Insektenstich?«
    »Nein, Mr. Sinclair, nein. Die Wunde hat dieser Hieb mit dem Schnabel hinterlassen.«
    Ich blieb ruhig, wollte nicht, daß sie merkte, wie aufgeregt ich mittlerweile auch war. »Der Hieb mit dem Schnabel«, wiederholte ich. »Führte ihn ein Vogel aus, den Sie erkannt haben?«
    »Überhaupt nicht. Er war nur dunkel, und er war groß, Mr. Sinclair. Sehr groß. Ich habe sogar angenommen, es mit einem Adler zu tun zu haben, was natürlich Unsinn ist, denn es gibt in diesen Breiten keine Adler. Jedenfalls war es ein Vogel, der keine Gnade kannte.«
    »Und er hinterließ die Wunde.«
    »Sie schmerzt. Sie lebt, sie pocht, sie tuckert.« Helen Kern stand wieder dicht vor dem Weinen.
    »Bei unserem Gespräch habe ich es verdrängen können, aber das schaffe ich nicht mehr. Ich werde durch das Ziehen immer daran erinnert. Es tut mir leid, ich kann nichts dafür, und ich möchte auch nicht, daß Sie mich für hysterisch halten, aber mir kommt es vor, als hätte jemand Säure in die noch frische Wunde gespritzt.«
    »Darf ich mir die Wunde einmal ansehen?«
    »Nein, nein!« rief sie erschreckt und drückte ihren Rücken gegen das weiche Kissen des Sofas.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich es nicht will!«
    Ich schaute sie an. Das heißt, ich versuchte, mit ihren Augen Blickkontakt zu bekommen, aber Helen drehte den Kopf zur Seite, so daß ich es nicht schaffte. Auf keinen Fall durfte ich ihr mit Härte kommen. Sie hatte zuviel erlebt, deshalb mußte ich versuchen, sie zu überzeugen. »Sehen Sie, Helen, ich bin zu Ihnen gekommen, um Ihnen zu helfen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich mich zwar äußerlich kaum von anderen Polizisten unterscheide, was meinen Job angeht, jedoch schon. Deshalb ist so etwas für mich auch nicht unbedingt neu. Bitte, ich möchte die Wunde sehen. Ich werde das Pflaster auch sehr vorsichtig entfernen.«
    »Das ist es doch nicht!« rief sie.
    »Was dann?«
    »Nein, auf keinen Fall.«
    Ich spürte, daß ihr Widerstand langsam zusammenbrach. Sie hatte nicht mehr so überzeugend gesprochen, und ich drückte mich sehr langsam in die Höhe, weil ich Helen nicht erschrecken wollte.
    Sie blieb auf der Stelle sitzen. Zwar verkrampft und zitternd, aber sie traf keine Anstalten, die Flucht zu ergreifen, als ich um den schmalen Tisch herumging, der zwischen uns stand.
    Hinter ihr blieb ich stehen.
    Sie hatte nicht einmal den Kopf gedreht, zuckte aber zusammen, als ich ihre Schulter berührte. »Ich meine es wirklich gut mit Ihnen, Helen, haben Sie keine Angst.«
    »Das versuche ich. Aber die Wunde… sie… sie kann größer und anders geworden sein.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie kribbelt, und ich habe sogar den Eindruck, als würde sie sich bewegen. Bitte, lachen Sie mich nicht aus, aber das ist so. Es ist ein schreckliches Gefühl, obwohl es nicht sehr schmerzt.«
    Ich veränderte meine Haltung, da ich die rechte Wange der Frau untersuchen wollte. Kaum hatte ich den Kopf etwas gesenkt, da sah ich das Unwahrscheinliche und beinahe auch Unglaubliche. Die Wunde bewegte sich tatsächlich, unter dem Pflaster tat sich etwas und machte auch vor diesem Viereck nicht Halt.
    Es löste sich ab.
    Zuerst an der oberen Kante, dann an der Seite, schließlich unten. Helen merkte dies auch, sie flüsterte einen Kommentar, den ich nicht wahrnahm, weil ich meinen Blick einfach nicht von diesem noch immer rutschenden Pflaster lösen konnte.
    Dann fiel es ab und landete auf der Couch.
    Ich aber starrte auf die Wange und auf die Stelle, die das Pflaster bisher verdeckt hatte.
    Es war unfaßbar.
    Aus der Wunde wuchsen drei kleine Vogelfedern!
    ***
    Wahrscheinlich hatte ich nach dieser auch für mich schrecklichen Entdeckung zu lange geschwiegen, denn plötzlich meldete sich Helen mit kaum verständlicher Stimme. »Sehen Sie es? Haben Sie es gesehen? Wissen Sie nun, was ich meine?«
    »Ja, die drei Federn…«
    Helen Kern versteifte. Über ihre Haut lief dabei ein Rieseln. Sie mußte Angst spüren oder Überraschung.
    »Bitte, John, bitte… was haben Sie da gesagt? Können Sie es noch einmal wiederholen?«
    »Drei Federn!«
    Und wieder überraschte sie mich. Helen Kern war so schnell auf den Beinen, daß ich ihr nicht folgen konnte. Ich schaffte es auch nicht, sie festzuhalten, meine zuschnappende Hand griff ins Leere.
    Jammernd und wie ein Irrwisch rannte sie quer durch das Zimmer, warf sich über die Schwelle in den Flur hinein, und ich rechnete damit, daß sie

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